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Jochen Stiewe (Englisch / Geschichte)

            Lieber Jochen,
            unser erstes Aufeinandertreffen in Argentinien war auf mir bis heute unerklärliche Weise ein
          Aneinandervorbeilaufen.
            Du wolltest uns (als unser „Bärenführer“) am Flughafen willkommen heißen und die Beschrei-
          bung deiner Frau ließ, das kann ich heute sagen, eigentlich keine Missverständlichkeiten zu:
            „Schau einfach nach dem größten Mann, das ist Jochen!“
            Ob die Piquete auf der Panamericana, die übermüdeten Walbruns oder das Schicksal Schuld
          daran trug, dass wir uns am Flughafen noch nicht trafen, ist eigentlich auch egal, denn kurze Zeit
          später kamst du ja zur Begrüßung in unser Übergangsquartier, wo du uns in erster Linie nicht durch
          die imposante Körpererscheinung beeindruckt hast, sondern mit einer Charaktereigenschaft, die
          dich vielmehr auszeichnet:
            unbedingter Optimismus!
            „Schön habt ihr es hier … jetzt genießt erst einmal das Wetter … morgen gibt es ein leckeres
          Asado usw.“ Die vom ca. 24stündigen Reisestress paralysierten Walbruns nickten ergeben. – Will-
          kommen in Argentinien, alles wird gut, macht euch keine Sorgen!
            Auch in den folgenden zwei Jahren konnte ich mich davon überzeugen, dass bei dir das Glas
          immer halb voll ist und du dich darum kümmerst, dass es bei deinen Kollegen und Schülern nie
          halb leer wird.
            Denn Optimismus zeichnete auch deine Arbeit an der Goethe-Schule aus. Hier hast du als OLK
          in den Fächern Geschichte und Englisch gewirkt, das Abitur mitgestaltet und so manchen Schüler
          positiv beeinflusst. Wer bei dir Unterricht hatte, wusste, dass man die Noten nicht geschenkt bekam,
          aber wusste auch genau, was er dafür zu tun hatte.
            Noch vor kurzem erzählte mir eine Mutter von einer ungewöhnlichen, aber wirksamen Stiewe-
          Fördermaßnahme:
            Ihr Sohn, eigentlich des Englischen mächtig, bereicherte deinen Unterricht vor allem durch Stö-
          rungen und Clownereien. Die Mutter sollte ihrem Sohn folgenden Auftrag überbringen: Vor jedem
          Unterricht erzählst du in Zukunft eine witzige Geschichte auf Englisch, die deine Mitschüler zum
          Lachen bringt.
            Unnötig zu erwähnen, dass die Maßnahme fruchtete.
            Jochen,
            die Kollegen, Schüler und Eltern haben dich bereits 2012 vermisst, als du dich aus dem Un-
          terrichtsgeschäft zurückgezogen hast, um dich (männlich beispielhaft) ganz der Familienarbeit zu
          widmen.
            Wenn du jetzt nach Deutschland zurückfliegst, kannst du dies in der Gewissheit tun, an der Ver-
          mittlung eines neuen, positiven Deutschlandbildes entscheidend persönlich mitgewirkt zu haben:
            Deinen Optimismus möchte man haben.
            Glück auf!


                                                                         Mark WALBRUN








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