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Sehr geehrte Licenciada Ballesteros, Chefinspektorin
der Region 6.
Liebe Absolventinnen und Absolventen hier im Hof,
liebe Mütter und Väter, Kolleginnen und Kollegen und
Mitglieder des Schulvereinsvorstandes hier vor Ort und
online, liebe präsent und virtuell Anwesende!
Nach vielen Jahren des Lernens, und insbesondere
nach zwei besonderen Jahren, ist es nun endlich
soweit: Wir dürfen Eure Abschlüsse feiern, liebe
Absolventinnen und Absolventen, und Euch Eure
Zeugnisse des Deutschen Internationalen Abiturs und
Philipp Wehmann des argentinischen Bachilleratos überreichen. Diese Titel
sind zusammen mit dem DSD die Prüfungen, die Euch
nun alle Möglichkeiten geben werden, in die Welt zu ziehen und Eure nächsten
Schritte zu gehen. Und sie lassen uns stolz sein auf das, was wir alle gemeinsam
geschafft haben: Ihr selbst zuallererst, liebe Absolventinnen und Absolventen, weil
eure Abschlüsse eure ganz persönliche Leistung in ganz besonderen Zeiten sind,
und dann wir alle gemeinsam, weil sie in unserer Gemeinschaft, unter unser aller
Mitwirkung, erreicht wurden: der Mitwirkung Eurer Lehrkräfte, Schulleitungen und
der Oberstufenleitung (der alten wie der neuen), des Schulvereinsvorstandes, Eurer
Eltern, Eurer Klassenkameradinnen und -kameraden wie auch Eurer Freundinnen
und Freunde. Und bei all diesen Menschen, die irgendwie dazu beigetragen haben,
dass Ihr – trotz der schwierigen Umstände in den letzten beiden Jahren – lernen und
schließlich Eure Abschlüsse ablegen konntet, dürft und sollt Ihr Euch heute noch
einmal bedanken. Lasst uns all diesen Menschen einen schönen Applaus spenden!
Im vergangenen Jahr waren wir im Rahmen unserer gemeinsamen Abschlussfahrt
am Aconcagua, dem höchsten Berg des amerikanischen Kontinents. Als unser
Bergführer davon sprach, dass man sich ganz auf den Berg einlassen müsse, wenn
man ihn besteige, dass man seine Komfortzone verlassen und innere Einkehr halten
müsse, ging mir der italienische Dichterfürst der Renaissance, Francesco Petrarca,
durch den Kopf, der am 26. April 1336 gemeinsam mit seinem Bruder Gherardo und
zwei nicht näher bekannten Begleitern den Mont Ventoux im Süden Frankreichs
bestiegen hat. Einem Freund beschrieb er diesen Aufstieg in einem Brief, der zu
seiner berühmtesten lateinischen Schrift geworden ist.
Sein Ziel für den Aufstieg formulierte er so: „Den höchsten Berg dieser Gegend, den
man nicht zu Unrecht Ventosus, den „Windumtosten“ nennt, habe ich am heutigen
Tag bestiegen, allein vom Drang beseelt, diesen außergewöhnlich hohen Ort zu
sehen.“
Petrarca kommt nicht auf direktem Wege an sein Ziel, den Gipfel. Zeitweise fühlt er
sich schwach, ruht sich aus und macht ein Nickerchen; andermals glaubt er, leichter
auf den Gipfel zu kommen, wenn er Pfade wählt, die nicht so steil sind. Aber er erkennt,
dass er auf diesen eher ins Tal gelangt als auf den Gipfel. Und so schlägt er schließlich
doch den anstrengenden Weg bergauf ein und erreicht den höchsten Punkt des
Berges. Den höchsten Punkt des Berges, der gleichsam über der ganzen Welt thront
und von dem aus man seinen Blick wunderbar schweifen lassen kann.
In seinem Brief schreibt er: „In der Tat liegt das Leben, das man das selige nennt,
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