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„Kopfschmerzen bereiten“ – in ausweglose oder schwierige Situation geraten
„Kopfzerbrechen“ – angestrengtes Nachdenken, oft hilflos
Das Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache (der Etymologie – Duden) berichtet uns,
dass das Wort „Kopf“ ursprünglich eine Gefäßbezeichnung für Becher, Trinkschale war. Es
beruht wohl auf einer Entlehnung aus dem spätlateinischen „cuppa“ = „Becher“. Erst im
Mittelalter wurde das Wort zur Körperbezeichnung im symbolischen Sinne für „Hirnschale“
(Duden, S. 359/60).
In diesem Zusammenhang ist der Kopf also, wie bereits vorher erwähnt, Sitz unserer
Sinneswahrnehmungen des Hörens, Sehens, Riechens und Schmeckens und gleichzeitig Gefäß
für unsere beiden Gehirnhälften, deren eine für die ratio (die verstandesmäßige, denkende
Ebene), die andere für die emotio (die gefühlsmäßige Ebene) unserer Existenz verantwortlich
ist. Wir können an keinem Körperteil des Menschen so viel erkennen und ablesen wie am Kopf.
Zudem ist er im Vergleich mit den übrigen Körperteilen in der Regel nackt: bloßen Hauptes.
Der Kopf ist dreidimensional, ein Körper; zu ihm gehören Hinterkopf und Gesicht – und
in der künstlerischen Darstellung ist „der erste Irrtum des Anfängers der, zu glauben, das
Gesicht sei wichtiger als der Hinterkopf.“ Beide sind Teile eines Ganzen, ergänzen sich,
sind Ausdruck der Persönlichkeit des Menschen. Beim Kopf als dreidimensionalem Gebilde
geht es für den Gestaltenden um Formen, Proportionen, Flächen, Linienführung. Dabei ist
die äußere Form nicht von dem zu trennen, was innen ist und geschieht: Die Ihnen hier
präsentierten Köpfe sind also Wille, Ausdruck und Stein gewordenes Bildnis dessen, was in
den Köpfen der Jugendlichen beim Arbeitsprozess vor sich ging – bewusst und unbewusst.
Dies wird erst recht verständlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Mimik unseres
Gesichts der Spiegel unseres Denkens und Fühlens, unseres Verstandes und unserer Seele
ist. August Rodin sagt dazu:
„Euer Geist muss jede Oberfläche als Außenseite eines Rauminhaltes
auffassen, der von hinten drückt. Stellt euch deshalb die Formen wie
auf euch gerichtet vor. Alles Leben entspringt in einem Mittelpunkt,
dann keimt es und blüht auf von innen nach außen.“
Dies lässt sich in dichterischer Form mit Goethe sagen:
„Nichts ist drinnen, nichts ist draußen,
denn was drinnen ist, ist außen.“
Der Bearbeitende, der Gestaltende, der bildnerisch Schaffende, der Schüler muss aus
dem Quader, aus dem Unbehauenen einen Kopf, also Leben, erschaffen. Dabei bedarf es
zunächst einmal des Sehens – und dies im doppelten Sinne: einmal muss er sich den Quader,
das Material, anschauen, betrachten, zum anderen muss er in sich hineinschauen im Sinne
eines Horchens. Es findet also eine synästhetische Wirkung statt. Erst dann kann er aus sich
heraus arbeiten. In der Arbeit am Material, sei es nun Holz, Stein oder, wie hier, Ytong,
arbeitet er sich ab und wird sein Werk damit Teil und Ausdruck seiner eigenen Persönlichkeit.
Es kommt also auf die Bereitschaft der Augen des Gestaltenden und seiner selbst an; das
trifft auch auf den Betrachter, also Sie, zu. Damit das Werk gelingt, braucht man Vertrauen
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