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Im Zentrum der gesamten AG im Laufe des Jahres stand der Kopf des Menschen als
                     Körper, Raum, Erlebnis und Ausdruck seiner inneren und äußeren Identität – unserer Identität.
                     Natürlich bildeten die hier gezeigten Skulpturen den Schwer- und Mittelpunkt der Arbeit,
                     doch wurden sie flankiert von einer Reihe anderer Arbeitsgänge und Methoden, die ich Ihnen
                     nun in ihrer Reihenfolge kurz aufzeigen will. Der Einstieg erfolgte über Fragen zur Bedeutung
                     des Kopfes für den Menschen. Es folgten Bildbetrachtungen und Bildbeschreibungen zum
                     Thema „Kopf“, u. a. zu den hier zu sehenden Werbeplakaten des Bundeslandes Baden –
                     Württemberg. In einem nächsten Schritt ging es um eine theoretische Reflexion zu den
                     Themen „Kopf und Sprache“ und „Kopf = Kapital“. Daran schloss sich die Erarbeitung eines
                     Arbeitspapiers mit künstlerischen Gestaltungskriterien (Aspekte wie Linie, Fläche, Raum,
                     Körper, Hinterkopf, Gesicht u. a.) an, begleitet von Tast- und Wahrnehmungsübungen zur
                     Stofflichkeit und Struktur verschiedener Materialien (Beton, Baumrinde, Haare, Glas, Stein,
                     Waschbeton, Kies, Gras, Pullover). Als praktische gestalterische Vorübung zu den Skulpturen
                     mussten die Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig Gipsmasken in Partnerarbeit anfertigen.
                        Etwa Mitte Mai begann die Arbeit an den Skulpturen selbst; sie dauerte bis etwa Anfang
                     September und wurde abgelöst von der Produktion fiktionaler Texte in deutscher Sprache in
                     Partnerarbeit, die eine Verbindung zu den Kopfskulpturen besitzen sollten. Die Texte finden
                     Sie bei den Skulpturen ausgelegt. Den Abschluss bildete das Schreiben von deutschen
                     Redewendungen, die Sie als Plakate auf den Stellwänden sehen.

                        Unser kleines Gesamtkunstwerk präsentieren wir Ihnen nun heute nicht ohne einen
                     gewissen Stolz. Doch bevor Sie alles in Ruhe betrachten können, möchte ich noch einige
                     grundlegende Dinge zum Kopf und zur Sprache des Menschen sagen.
                        In der deutschen, wie wahrscheinlich in jeder Sprache, existiert eine Vielzahl von
                     Schimpfwörtern und Redewendungen zum Kopf. Dabei entstammen die meisten dem
                     Volksmund, weshalb schon Martin Luther empfiehlt, dem „Volk aufs Maul zu schauen“, dem
                     Sprachrohr des Kopfes. Wenn diese Schimpfwörter und Redewendungen auch meist dem
                     Bauch, also der Emotion entspringen, so ist die Versprachlichung doch eine Leistung des
                     Kopfes, der nicht umsonst an oberster, an exponierter Stelle sitzt; dies verdeutlicht auch das
                     heute ungebräuchlichere Wort „Haupt“. Und dieser Kopf zeichnet sich durch „die Anhäufung
                     wichtiger Sinnesorgane in Verbindung mit einer Konzentration des Nervensystems, des
                     Gehirns, aus (Meyers Enzyklopädisches Lexikon). Auch hier ist der Volksmund ohne exakte
                     wissenschaftliche Kenntnisse oder Fachterminologie wieder treffsicher, wenn er feststellt:
                     „Ein Kind ohne Kopf ist ein Krüppel fürs Leben.“ Eine Vielzahl von Wortverbindungen macht
                     deutlich, dass wir des Kopfes dringend bedürfen:

                        „den Kopf verlieren“ – die Übersicht, die Kontrolle verlieren


                        „kopflos sein“ – ohne Verstand, ohne Überlegung handeln
                        „kopfscheu sein“ – ängstlich, verwirrt sein (ursprünglich von
                         Pferden gesagt, die scheuen, wenn man sie
                         am Kopf packt)




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