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ZUR GESCHICHTE DER HISTORISCHEN TELESKOPE
                               UNSERER GOETHE-STERNWARTE



              Die ältesten bislang gefundenen schriftlichen Zeugnisse astronomischer Tätigkeit
              an der Goethe-Schule stammen aus dem Jahre 1934. In jenem Jahr wurde die letzte
              große, bereits in den ursprünglichen Plänen des Architekten L. Siegerist vorgesehene
              Gebäudeerweiterung vollzogen und gebührend gefeiert . Buchstäblich als Krönung
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              jenes Umbaus wurde eine drehbare astronomische Beobachtungskuppel von 3 Meter
              Durchmesser auf das Dach gesetzt. Ob auch sie von Anfang an vorgesehen war,
              ist nicht bekannt. Auch wissen wir nichts über ihren Hersteller. Sie konnte über eine
              Wendeltreppe vom neu geschaffenen Werkraum für Jungen aus erreicht werden.
              Pünktlich zur Einweihung spendete Dr. Arndt ein Fernrohr mit Stativ und füllte so die
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              Kuppel mit astronomischem Leben.
              Bei diesem Gerät handelt es sich um ein ca. 1915 gebautes Linsenfernrohr der Firma Carl
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              Zeiss (Seriennummer 8715) mit azimutaler Montierung (Abb.1). Aufgrund seines Alters
              darf vermutet werden, dass es aus dem Privatbesitz von Dr. Arndt stammt. Gekauft
              wurde es in der Optikfachhandlung Griensu (Florida 118, Cap. Fed.). Es ist weiterhin voll
              funktionsfähig und wird im ursprünglichen Schutzkasten aufbewahrt. Nur das Stativ ist
              leicht beschädigt.
              In jenen Jahren, seit 1930, war Dr. E. Häußler für den Physiksaal zuständig. Gemeinsam mit
              Fräulein Dr. Johanna Giersch leitete er eine (freiwillige und gut besuchte) Physik-AG, in
              welcher die Schüler physikalische Experimentiergeräte für den Unterricht konzipierten
              und bauten. Diese Geräte blieben anschließend in der Sammlung, die als eher spärlich
              ausgestattet beschrieben wird. So wurde z.B. dank der Spende einer ausreichenden
              Anzahl von Linsen ein Schülersatz identischer Versuchsaufbauten hergestellt, mit dem
              die Abbildungsgesetze untersucht werden konnten. Trotz des nahe liegenden Bezugs
              zur teleskopischen Bildentstehung bleibt die neue Sternwarte jedoch unerwähnt.

              Seit 1937 und mindestens bis 1944 ist Dr. C. Lange für den Physiksaal verantwortlich.
              Er führt die in zweiwöchigen Abständen stattfindende, jeweils zweistündige Physik-AG
              weiter und entwickelt z.B. 1940 eine Experimente-Sammlung zur Strömungsmechanik
              inklusive Windkanal . In dieser Quelle wird nun auch zum ersten Male die Benutzung
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              der Sternwarte erwähnt. Wörtlich heißt es da: „Bei besonderen Gelegenheiten wurden
              Beobachtungen mit dem Fernrohr der Schule gemacht. Wir konnten unter anderem
              die Venus im ersten  Viertel, den Saturn mit seinen Ringen, den Jupiter mit seinen
              Monden, eine Teil-Sonnnenfinsternis, die Sonne mit ihren Flecken und den Mond mit
              seinen Gebirgen beobachten.“
              Die Schule besitzt außerdem ein noch älter wirkendes aber leider unvollständiges
              und  daher  nicht  mehr  gebrauchsfähiges Teleskoprohr der  Firma  Gustav Heyde KG,
              Werkstätten  für  Feinmechanik  und  Optik    (Seriennummer  7999)  im  Originalkasten.
              Aufgrund seines Aussehens handelt es sich wahrscheinlich um ein Gerät mit
              azimutaler Montierung. Das Baujahr dürfte vor 1912 gelegen haben. Es wäre interessant
              herauszufinden, ob es bereits 1910 zur Verfügung stand. Dann hätte man damit
              womöglich den Halleyschen Kometen und den „Großen Januarkometen“ jenes Jahres
              beobachten können.
              Im März 1946 wird das Gebäude der Goethe-Schule von der argentinischen Regierung
              illegal konfisziert und jahrelang zur Ausbildung von Sekundarlehrern verwendet. In

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