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auch manchmal, und der war ganz scharf auf sein Schlagzeug; dann wollte er die Polizei
                        rufen. Er öffnete die Tür einen Spalt breit und beugte sich vor. Er konnte seinen Augen nicht
                        trauen. Das saß Oma und hämmerte wie wild auf die Trommeln ein. Alex hatte sich doch
                        gleich gewundert, warum sich das so komisch anhörte. Obwohl, so schlecht war es gar
                        nicht. Rhythmus hatte sie jedenfalls, Auf einmal musste er laut lachen. Die Situation war
                        einfach zu grotesk.
                           Er stieß die Tür auf und blickte seine Oma sprachlos voller Staunen an. Da bemerkte sie
                        ihn. Sie wurde sogar rot! Es wurde immer besser. Sie blickte ihn an, und beide wussten nicht,
                        was sie sagen sollten. Da begann sie zu grinsen und fing an zu lachen. Alex zögerte, dann
                        stimmte er mit ein. Da standen sie beide und lachten sich halb tot, er konnte es einfach nicht
                        glauben! Als sie nach einiger Zeit wieder zu Atem kamen, meinte die Oma: „Eigentlich hatte
                        ich gehofft, dass keiner mich so sieht. Wie peinlich. Was musst du jetzt von mir denken?“
                           „Ach, mach dir keine Sorgen.“ Alex grinste immer noch „Ich find das gut. Davon
                        abgesehen bist du gar nicht so schlecht.“
                           „Ja, das liegt daran, dass ich schon seit 2 Wochen übe“, meinte Oma und lachte wieder.
                        Mensch, du musst mich für ganz schön durchgeknallt halten, aber ich konnte einfach nicht
                        anders. Weißt du noch, als ich dir das gesagt habe, dass es für Jugendliche wichtig sei, etwas
                        zu haben, damit sie abschalten könnten? Nun, ich habe darüber nachgedacht. Für alte
                        Menschen ist das genauso wichtig, eigentlich für alle Menschen! Ich habe früher Klavier
                        gespielt, aber das konnte ich ja schlecht hierhin mitnehmen, und das einzige Instrument was
                        ihr habt, ist dieses. Außerdem find ich das gar nicht so schlecht. Man kann sich dabei richtig
                        austoben und ich brauche weiß Gott mal etwas Ablenkung.“
                           Alex blickte sie an und entschloss sich, endlich zu fragen.
                           „Warum bist du eigentlich hier, Oma? Ich meine, es ist doch offensichtlich, dass du dich
                        weder mit deinem Sohn, noch mit Mama verstehst. Ich weiß zwar nicht, was vorgefallen ist,
                        aber normal verhaltet ihr euch alle jedenfalls nicht.“
                           „Dein Vater hat mich überredet. Er hat in dem Punkt Recht, dass ich einfach nicht mehr
                        für mich selber sorgen kann. Und ein Altersheim wäre zu teuer. Ich nehme an, dein Vater
                        könnte es sich leisten, aber er denkt wahrscheinlich an das kleinere Übel. Ich lebe nicht
                        mehr lange, und dafür, dass er es die paar Monate mit mir aushält, spart er ziemlich viel
                        Geld. Aber deshalb hab ich mich auch bis zum Schluss geweigert, zu kommen. Ich wusste
                        ja, dass ich hier nicht erwünscht bin und da gefiel es mir zu Hause bei weitem besser.
                           „Aber was habt ihr denn gegeneinander?“
                           Oma blickte ihn lange an. Schließlich sagte sie: „Du bist der erste Mensch, dem ich das
                        erzähle. Ich weiß auch nicht warum. Aber hör zu: Als ich jung war, habe ich die Musik
                        geliebt. Ich spielte ja selber Klavier, und es gab eine Gruppe, die kamen jedes Jahr in unsere
                        Stadt und trat auf. Ich verliebte mich in einen von ihnen. Ich war damals erst 16. Wir
                        verbrachten wunderschöne Tage zusammen, aber dann musste er wieder abreisen. Nach
                        einem Monat entdeckte ich, dass ich schwanger war. Ich entschloss mich, das Kind zu
                        behalten, auch auf die Gefahr hin, dass mein Vater mich hinauswerfen würde, was er dann
                        auch tat. Ich versuchte, Martin Briefe zu schreiben, aber entweder sie kamen nie an, oder
                        er wollte nichts von mir wissen. Zu der Zeit arbeitete ich als Schneiderin und verdiente fast
                        nichts. Es war sehr hart, und dann auch noch mit einem kleinen Kind. Es vergingen einige
                        Jahre und dann lernte ich den Mann kenne, den dein Vater als seinen Vater kennt. Er weiß



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