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Jetzt war sie da, im Keller. Sie hatte über die Worte ihres Sohnes nachgedacht und wollte
                        aufräumen. Sie holte einen Besen, ein feuchtes Tuch und noch ein trockenes. Sie schaltete
                        das Licht an und begann zu putzen. Es gab viele Schachteln, die sie wegwerfen wollte. Die
                        meisten waren mit alter Kleidung und Spielzeug gefüllt – ihr Ehemann hatte eine große und
                        wertvolle Spielzeugsammlung gehabt. Diese Sachen werde ich verschenken, dachte sie. Es
                        hat keinen Sinn sie zu behalten.
                           Plötzlich sah sie etwas glänzen.
                           „Ich kann es nicht glauben … Die ganze Zeit war es hier!“
                           Es war ein rotes Schlagzeug, dessen Metallteile das Licht reflektierten. Sie ließ die
                        Putzsachen auf den Boden fallen und rannte hoch ins Wohnzimmer. Sie wählte Stefans
                        Telefonnummer.
                           „Hallo?“
                           „Hallo, Stefi – !“
                           „Mama – Nenn mich nicht `Stefi´. Du weißt doch, dass ich es nicht mag.“
                           „Na schön, na schön. Nicht gleich böse werden. Hör` mal, ich brauche deine Hilfe. Ich
                        muss etwas aus dem Keller holen, aber es ist zu schwer. Könntest du bitte herkommen?“,
                        fragte Frau Lohmann ganz aufgeregt.
                           „Wie du willst. Warte auf mich, ich bin gleich da“, antwortete Stefan.
                           Es dauerte nicht sehr lange, bis es klingelte. Frau Lohmann ging schnell zur Tür und ließ
                        ihren Sohn herein.
                           „Was willst du denn aus dem Keller holen?“
                           „Warte nur ab! Ich habe etwas gefunden.“
                           „Was hast du gefunden? Ich verstehe gar nichts hier.“
                           Beide gingen runter. Frau Lohmann beleuchtete das Schlagzeug mit einer Taschenlampe,
                        da es genau in einer Ecke lag, die dunkel war.
                           „Helf mir bitte. Ich möchte, dass es oben bleibt“, sagte sie.
                           Und so brachten sie die Teile des Schlagzeugs vorsichtig ins Wohnzimmer. Während sie
                        die Teile transportierten, bildete sich hinter ihnen ein Staubweg.
                           „Seit wann hast du denn das Ding da unten gehabt?“, wollte Stefan wissen.
                           „Nicht so lange her, glaube ich. Oder doch? Lass mich mal nachdenken. Mmh…. zwei,
                        drei … fünf.. . Seit ungefähr fünfzig Jahren liegt es im Keller. Fünfzig! Ach du meine Güte!
                        Schon so lange her!“
                           „Das ist ja eine Ewigkeit. Du, Mama, war das von Vater?“
                           „Nein“, sagte sie, von deinem Vater ist das sicher nicht. Es war – es ist – nämlich meins.
                        Edgar mochte nur klassische Musik, das weißt du doch.“
                           Sie stellte einen Stuhl vor das Schlagzeug und setzte sich hin.
                           „Hör` gut zu“, erzählte sie, „es ist schon sehr lange her. Als ich klein war, wollte ich
                        immer das Schlagzeug spielen. Meine Eltern, also deine Großeltern, konnten es aber nicht
                        kaufen. Zu dieser Zeit war es noch sehr teuer, weißt du. Also fing ich mit dem Sparen an.
                        Ich arbeitete und verdiente mir genug Geld, so dass ich nach zwei Jahren ein Schlagzeug
                        kaufen konnte. Mein Traum war in Erfüllung gegangen. Ein Mitschüler aus meiner Klasse
                        zeigte mir, wie man es spielte und nach kurzer Zeit konnte ich es schon ganz gut. Ich wollte
                        aber nicht alleine spielen. Ich suchte mir dann ein paar Leute und formte eine Gruppe. Wir
                        hießen `Die phantastische Sechs`.“



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