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ABSCHLUSSFEIER


          Liebe Schülerinnen und Schüler der Humboldt-Akademie, liebe Dozenten, liebe Cristina,
          lieber anwesende Vorstandsmitglieder (ich sehe Andrés und Martin), liebe Gäste,

          ich grüße Sie alle zum Abschluss dieses so besonderen Jahres. Ich freue mich, dass Sie
          alle es geschafft haben, nun auch noch den letzten Zoom der Humboldt-Akademie
          in diesem Schuljahr einzuschalten und an unserer kleinen Zeremonie teilzunehmen.

          Im letzten Jahr sprach ich über Goethe und Humboldt, diese phantastischen Denker
          und Forscher, die es liebten, sich zurückzuziehen und zu denken und zu schreiben,die
          es aber auch liebten zu reisen und die Welt kennenzulernen, der eine mehr, der
          andere weniger.
          Wie wären diese beiden nun mit diesem Jahr umgegangen? Zumindest über Goethe
          gibt es Thesen. So habe ich in der Rheinischen Post vom 4. Juni ein wenn auch fiktives,
          aber seine Aussagen aufgreifendes Interview gefunden. Dort antwortete er auf die
          Frage, ob er der Empfehlung folge, zu Hause zu bleiben: „Alle Herrschaften müssen
          heute zu Hause bleiben. In der totalen Einsamkeit, in der ich lebe, wird es doch zuletzt
          ganz schrecklich. Dass ich mich so wohl als möglich befinde, ist das größte Glück.
          Auch meine Arbeit habe ich trotz aller Hindernisse weit genug gebracht.“
          Ihm ging es also – immer fiktiv gedacht – einerseits schrecklich in der Einsamkeit,
          natürlich, er konnte nichts unternehmen, keine Spaziergänge, keine Reisen, keine
          Museumsgänge, während er doch in Lage war, seine Ziele zu erreichen, die er sich für
          seine Arbeit gesetzt hat. Und das zeichnet ja auch einen produktiven und neugierigen
          Geist aus, dass er überlegt, worauf er seine Kräfte richten kann, und wenn sich diese
          nicht draußen finden, dann sucht man sie an anderer Stelle; wenn die körperlichen
          Herausforderungen fehlen, sucht man sich geistige. Und wenn dies geschieht, dann
          kann man wie Goethe auf die Frage, wie man die Zukunft einschätzt, antworten: „Möge
          die alles heilende Zeit aus dieser traurigen Krise das Beste hervorbringen. Wenn
          die Hoffnungen sich verwirklichen, dass die Menschen sich mit allen ihren Kräften,
          mit Herz und Geist, mit Verstand und Liebe vereinigen und voneinander Kenntnis
          nehmen, so wird sich ereignen, woran jetzt noch kein Mensch denken kann.“

          Und so haben Sie sich in diesem Jahr entschieden, die Herausforderung zu suchen oder
          sich weiter der Herausforderung zu stellen, das Deutsche zu erlernen – keine einfache
          Aufgabe, das weiß ich –, und ich finde das phantastisch, dies ist die Begegnung der
          Kulturen, für die es diese Schule gibt, dies schafft ein Verständnis für die deutsche
          Sprache und Kultur, über die sich Goethe und Humboldt gefreut hätten, dies ist: die
          Goethe-Schule. Und wenn dann noch der positive Blick in die Zukunft unseres fiktiven
          Goethe Wirklichkeit wird, dann haben wir alles richtig gemacht, und wir alle haben
          gemeinsam dazu beigetragen.
          Dafür danke ich Ihnen; ich danke Ihnen, dass Sie der Humboldt-Akademie in der
          Goethe-Schule die Treue gehalten haben; und ich danke Ihnen, dass Sie heute mit
          uns wie der römische Gott Ianus in das alte Jahr zurückschauen oder dabei natürlich
          auch gleichzeitig an das vor uns liegende Jahr denken, in aller Vorsicht, aber auch mit
          einer Portion Optimismus, die in solchen Zeit besonders notwendig ist.

          Bleiben Sie gesund und bleiben Sie der Humboldt-Akademie treu! Frohe Weihnachten!
          Vielen Dank!
                                                                     Philipp Wehmann


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