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“SCHINDLERS LISTE” AN DER GOETHE-SCHULE
Erika Rosenberg, die Biographin von Oskar und Emilie Schindler, spricht vor
den Abschlussklassen der Goethe-Schule über „besungene“ und „unbesungene
Helden“ aus der Zeit der nationalsozialistischen Barbarei.
Ein elegant gekleideter Mann, hoch zu Roß, das Parteiabzeichen deutlich sichtbar am
Revers, das Gesicht wie festgefroren, Maschinengewehrsalven, Schreie, die Kamera
schwenkt in eine dicht bevölkerte Straße, wo Menschen wie Vieh zusammengetrieben
werden; Koffer, Wertsachen und Einrichtungsgegenstände fliegen aus Fenstern und von
Balkonen auf den Asphalt, Wehrmachtssoldaten nehmen wahllos Erschießungen vor
und über alledem – welch ein Kontrast! – beschwört ein jiddisch singender Kinderchor
eine vergangene, heile Welt: „Ein Feuer brennt auf dem Herd und es ist warm in dem
kleinen Haus“. Ein Farbfleck inmitten des schwarz-weiß gedrehten Schreckens: Man
erkennt ein kleines Mädchen in rotem Mantel, das unbeachtet umherirrt. Die Kamera
ist wieder bei dem Mann auf dem Pferd, seine entsetzten Augen folgen dem Mädchen.
Es wird doch überleben! Spielbergs mit 7 Oscars prämiertes Meisterwerk verweigert
seiner Hauptfigur den Gefallen. Allein bei der Räumung des jüdischen Ghettos von
Krakau werden 2000 Juden auf bestialische Weise ermordet. Das Mädchen – so will
es die Dramaturgie – ist ebenfalls darunter. In einer der nächsten Einstellungen wird
Oskar Schindler es wiedersehen, leblos und verschmutzt auf einem Holzkarren, den
man mühsam durch den Matsch zieht.
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