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„NICHT JEDER IST FÜR DAS LEBEN
                                       DA DRAUßEN GEMACHT“

                    Stürmischer Applaus bei der Uraufführung von Frank Forsters Schauspiel „Orbiter“
                                      im Musikauditorium der Goethe-Schule.


                 Auf ihrem Trip durchs argentinische Hinterland gerät ein Touristenpärchen (Alex Mayer
                 und Anna Ritter) ins unscheinbare Millache, dessen einzige Sehenswürdigkeit ein
                 Friedhof aus präkolumbianischer Zeit zu sein scheint. Doch weit gefehlt, denn als Handy
                 und Fotoapparat ihren Geist aufgeben, staunen die zwei nicht schlecht, als sie erfahren,
                 dass solche Phänomene keinesfalls ungewöhnlich sind an Orten mit unterirdischer
                 Alien-Raumstation. Neben den beiden ist noch eine Filmcrew aus Hollywood angerückt,
                 die sich im Dörfchen zum Ufologenkongress angemeldet hat; ihre geschäftstüchtige
                 Produzentin (Martina Nudel) ist ihnen wohlweislich vorausgeflogen.

                 In dem sich nun entfaltenden Spiel aus slapstickartiger Komik, rascher, esprit-geladener
                 Dialoge und wissenschaftlich-philosophischen Exkursen fühlen sich die Einheimischen
                 zunächst geschmeichelt von so viel Aufmerksamkeit. Schon bald aber kommen
                 Befürchtungen auf, sie könnten ihren Rückzugsort an die Neuankömmlinge verlieren,
                 die mit einer Mischung aus Faszination und ungläubigem Staunen dem Treiben ihrer
                 Gastgeber beiwohnen.

                 Am  Ende  kehrt  „Orbiter“  zum  Paar  am  Bühnenrand  zurück,  hinter  dessen  Rücken
                 zu Max Richters „Summer 2“ verwirrende Lichtsignale ins Publikum gesandt worden
                 waren. Aber vielleicht war das ja auch nur Einbildung, so wie die Nacht der entrückten
                 Pacienca (Chiara Polano) am Strand von Florianopolis, in der sich der Himmel in eine
                 „mächtige  Garnele“  verwandelte,  das  Meer  „einfror“  und  die  Zeit  „still  stand“,  als  die
                 silberne Scheibe wieder auftauchte, die sie zuletzt als Kind gesehen haben will.
                 Unterdessen hat unser Touristenpärchen so großen Gefallen an grünen Männchen,
                 fliegenden  Untertassen,  kosmischen  Strahlen,  UFO-Seife,  Kornkreisen  und
                 Laserpistolen gefunden, dass der nächste Urlaub bereits unter Dach und Fach ist: Von
                 Nevada bis runter in den Süden Utahs führt die „Paranormale Tour“ zu Geisterstädten,
                 verwunschenen Hotels und original  UFO-Landebahnen. Im  Preis enthalten:  ein
                 sommerliches Alien-Festival in Cedar City. Wem das zu weit ist, sei ein Dörfchen in der
                 zentralargentinischen Provinz Córdoba empfohlen, das – sieht man einmal genau hin
                 – unserem Millache zum Verwechseln ähnlich sieht. Schon möglich, dass der eine oder
                 andere Zuschauer demnächst statt zu Stränden vor Cancún oder Phantasiewelten á la
                 Disney ins malerische Capilla del Monte aufbrechen wird.

                 Bühne: Melanie Mahler. Souffleuse: Anita Cougnet. Schauspieler: Mateo Burger, Pia
                 Bonilla, Camilo Casares, Leo De Artiagoitia, Julian Finsterbusch, Lucas Freyre, Zoe
                 Gaspar, Mateo Heber, Max Hoefner, Nikolas Jürgens, Constanza Korch, Jonathan Lin,
                 Dante Martin, Alex Mayer, Martina Nudel, Chiara Polano, Maike Rademakers, María
                 Ramírez, Axel Ramos, Anna Ritter und Pauline Schär (Klasse ES4 A, Secundaria).

                                                                              Christoph Simon






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