Geschichte der Germania-Schule


Geschichte der Germania-Schule

A. Jatho

In den alten Kulturländern pflegt das Leben einer guten Schule in so ruhigen Bahnen zu verlaufen und für die einzelnen Anstalten so wenige individuelle Züge zu enthalten, dass die meisten als geschichtslos bezeichnet werden müssen. Nicht ein Gleiches gilt für unsere Auslandsschulen, welchen als Kristallisationspunkten der vaterländischen Bestrebungen in der Regel eine über ihre engeren Aufgaben hinausreichende Bedeutung zukommt. Namentlich ist dies bei unserer Anstalt der Fall. Sie ist nicht nur durch ihr hohes Alter ehrwürdig, welches sie zu der ältesten deutschen Lehranstalt Südamerikas erhebt, sondern ihr Werdegang schließt auch ein reiches Stück Kulturgeschichte ein. Stets ist sie einer der wichtigsten Mittelpunkte unseres Gemeindelebens gewesen, und indem wir im folgenden ihre Geschichte darzustellen suchen, wird sich diese von selbst bis zu einem gewissen Grade zu einer Geschichte unserer Kolonie erweitern.

Die erste Darstellung der Geschichte unserer Schule rührt von C. Sennewald her. Sie umfasst den Abschnitt von der Schulgründung bis zu dem Jahre 1890 und ist in den Jahresberichten der Schule über die Jahre 1904, 1905 und 1907 veröffentlicht. Eine Sichtung des in dieser fleißigen Arbeit zusammengestellten, umfangreichen Materials und die Fortsetzung der Schulgeschichte bis zur Gegenwart versuchte dann der Verfasser dieses Aufsatzes in seiner Schrift: „Die Germania-Schule zu Buenos Aires. Ihr Werden und Sein“ (1910). Endlich hat J. Winiger in seinen „Beiträgen zur Geschichte des Deutschtums in den La Plata-Staaten“, die 1918 in der La Plata-Zeitung erschienen sind, der Schule ein ausgedehntes und beziehungsreiches Kapitel gewidmet. Auf diese Arbeiten verweisen wir zum Aufschluss über Fragen, welche mehr die inneren Verhältnisse der Schule betreffen. Uns kam es hier vor allem darauf an. die allgemeinen Züge der Entwicklung unserer Anstalt herauszuarbeiten und den kulturhistorischen Hintergrund zu zeichnen, von dem ihre Geschichte sich abhebt.

Die Gründung der Schule im Jahre 1843 führt uns in die Zeit zurück, in welcher die in Buenos Aires ansässigen Deutschen sich zuerst zu einer festeren Einheit zusammengeschlossen haben. Etwa 600 an Zahl, stammten sie meistens von den Einwanderern ab, welche die großangelegte, aber nur zu bald wieder unterbrochene Siedlungspolitik Rivadavias zwanzig Jahre vorher in das menschenleere Land geführt hatte. Sie waren hauptsächlich Handwerker und kleine Kolonisten, die in stiller Zurückgezogenheit, jedoch in einer gewissen Wohlhabenheit lebten. Mit schmerzerfülltem, zornigem Herzen vergleicht Sarmiento in seinem damals (1845) erschienenen Buche „Facundo oder Zivilisation und Barbarei“ das freundliche Aussehen der deutschen und schottischen Ansiedlungen im Süden der Hauptstadt mit den verwahrlosten Zuständen, die in den Dörfern seiner Landsleute herrschten. Gegenüber diesem Kern einfacher Leute trat der deutsche Kaufmann noch ganz zurück. In jener schweren Zeit, als des Diktators Rozas Schreckensherrschaft jede freie Bewegung bremste, war für große Handelshäuser kein Platz.

Wie stand es in jener Zeit in den öffentlichen Unterricht? Wir müssen, um hierüber Klarheit zu gewinnen, wieder zwanzig Jahre zurückgehen. Durch die Siege San Martins in Chile und Perú waren die Spanier endgültig aus der Südhälfte unseres Erdteiles zurückgeworfen worden, und die argentinischen Provinzen hatten sich nach blutigem Bruderkriege auf der Grundlage des föderalen Systems verständigt. Gleich einem neuen Frühling zog eine Zeit frischen Strebens und Regens in das Land ein, mit Begeisterung wandten sich die freigewordenen Kräfte dem Wiederaufbau zu. An der Spitze dieser Bewegung steht als Erster Minister der Provinz Buenos Aires der geniale Rivadavia. Es entstehen die Universität, die Börse, die Provinzialbank, es bilden sich Vereine für Literatur und Kunst, die „Ley de Olvido“ deckt den alten Hader zu. Die ganze Provinz erfüllt gleichsam ein großes Familienfest, um einen Ausdruck aus dem Handbuch der Geschichte Argentiniens von Vicente López zu gebrauchen. Mit aller Energie wurde der bis dahin so vernachlässigte Unterricht der breiten Volksmassen aufgenommen. Jede Parochie besaß bald ihre Volksschule. Da versuchte Rivadavia durch die „Ley Fundamental“ die Provinzen mit Buenos Aires durch eine allgemeine Verfassung zusammenzuschließen und bestieg 1826 den Präsidentenstuhl. Hiergegen erhoben sich die föderalen Caudillos, Rivadavia musste abdanken und Rozas bemächtigte sich der Regierung. Jetzt begann die Zeit der schlimmsten Reaktion. Der Universität, den Schulen wurde die staatliche Unterstützung entzogen, sie verfielen dem Bettel. Die besten Geister, ein Sarmiento, Vicente López, Mitre. Echeverría, u. a. suchten ihre Zuflucht im Auslande. Es war, wie Ramos Mejia in seinem Werke über Rozas schreibt, als ob der Tyrann das niedere Volk, seine zuverlässigste Stütze, in der vollständigsten Unwissenheit zurückhalten wollte. Die wenigen Schulen, welche in der Hauptstadt bestehen blieben, wurden der Polizei unterstellt, welche die politische Farbe der Lehrer zu prüfen hatte. Die Schüler mussten Kragen und Haarschleife aus Scharlach, der Leibfarbe Rozas, tragen. Die Schulen waren nicht langer Bildungsstätten, sondern der Tummelplatz junger Rohlinge, die mit ihrem Lehrer die tollsten Scherze trieben, indem sie sich u. a. damit vergnügten, ihn mit ihren Lassos am Pult festzubinden. So versank das Land in die tiefste Barbarei, und am Schluss dieser 2o jährigen Schreckenszeit zählte Buenos Aires, Hauptstadt und Provinz, statt der 39 Fiskus und 75 Privatschulen des Jahres 1830 deren nur noch 5 bzw. 30. (vergl. Historia de la Instrucción Primaria en la República Argentina, 1810-1910, im Auftrage des Consejo Nacional de Educación herausgegeben von José María Ramos Mejia).

So war die allgemeine Lage, als unsere Gemeinde entstand. Jede freiere Betätigung war erlahmt, und es scheint, dass auch unsere Landsleute abgestumpft waren und kaum noch den Wert eines geordneten Schulunterrichtes richtig zu würdigen wussten. Jedenfalls fanden die Sonntagsschule, welche der Bremer Kaufmann G. CH. DEETJEN im Jahr 1840 und die Privatschule, welche ROBERT HEMPEL ein Jahr später aufmachten, so wenig Beteiligung, dass sie bald wieder geschlossen werden mussten. Die Namen dieser beiden wackeren Männer müssen wir hier rühmend hervorheben. Deetjen gab, wie wir gleich sehen werden, den Anstoß zu der Bildung unserer Gemeinde, der er dann als Presbyter lange Jahre vorstand, und Hempel war ein fähiger Schulmann, der sich um den Aufbau des argentinischen Schulwesens, in dem er später hohe Posten bekleidete, sehr verdient gemacht hat.

Wenngleich der Misserfolg dieser ersten Schulgründungen auf die geringen geistigen Bedürfnisse unserer damaligen Landsleute hinweist, so war doch das Verlangen nach einem festeren Zusammenschluss unter ihnen sehr lebhaft. Gerade einfache Leute pflegen in der Fremde die treuesten Hüter der angestammten Sitten zu sein. Einen ausgezeichneten Erfolg hatte daher ein Aufruf, in dem im März 1842 auf Anregung Deetjens mehrere Patrioten die Kolonie aufforderten, sich die Dienste eines protestantischen deutschen Geistlichen zu verschaffen, der das Amt eines Predigers mit dem eines Schullehrers verbinden mochte. Nicht weniger als 113 Namen bedeckten bald die Subskriptionsliste, und es wurden 1084 Silbertaler gezeichnet, ein Betrag, der auf ein Jahr die Besoldung des Geistlichen sicherte. Dazu hatten sich die meisten Unterzeichneten verpflichtet, für die nächsten Jahre die gleichen Beiträge zu zahlen. Schon am 12. Juni 1842 konnte die erste Versammlung der Subskribenten einberufen werden. Diese wählte einen Ausschuss von fünf Männern, welcher bei dem Evangelischen Verein in Bremen die Vermittlung des Geistlichen nachsuchen sollte. Durch diesen Beschluss wurde die tatsächliche Gründung der Gemeinde vollzogen, die spätere Entwicklung war nur eine natürliche, logische Folge.

Der Evangelische Verein berief den Kandidaten der Theologie August Ludwig SIEGEL aus Vegesack. Derselbe stellte sich am 6. September 1843 der versammelten Gemeinde vor und wurde am 18. Oktober 1843 von der Regierung Rozas ermächtigt, evangelischen Gottesdienst zu halten. Dieser Tag, welcher mit dem Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht zusammenfällt, wird seitdem als Gründungstag der Gemeinde gefeiert. Dagegen stieß das Gesuch Siegels, eine deutsche Schule eröffnen zu dürfen, zunächst bei der Regierung auf Widerstand, da ein Dekret aus dem Jahre 1831 nichtkatholische Lehrer von dem öffentlichen Unterricht ausschloss. Da jedoch bereits in der englischen und nordamerikanischen Kolonie evangelische Schulen bestanden, so gelang es Siegel, den Kanonikus, welchem das Schulwesen unterstand, in einer persönlichen Auseinandersetzung zu bewegen, auch ihm die Unterrichtserlaubnis zu erteilen. Es wurde aber zur Bedingung gemacht, dass nur die Kinder deutscher Eltern die Schule besuchen dürften. Diese Bedingung zu erfüllen, ist den Gründern nicht schwer angekommen. Es waren gute deutsche Patrioten, die von kosmopolitischem Geiste noch wenig erfasst waren. In den Statuten, welche sie sich vier Jahre später gaben, wird daher der Zweck der Gemeinde dahin bestimmt, das christliche und kirchliche Leben aus Grundlage der preußischen Landeskirche aufrecht zu erhalten und sich der Erziehung der Kinder nach vaterländischem Muster zu widmen.

Winiger wirft in seiner oben genannten Arbeit die Frage auf, wie es gekommen sei, dass der misstrauische und all em Fremden feindliche Rozas unsere Gemeinde so schnell bestätigte, und gibt dafür folgende Erklärung. Damals hatte Rozas mit England und Frankreich Streitfälle, die zum Abbruch der Beziehungen und zur Blockade des La Plata führten. Es sei nun eine in der Diplomatie aller Zeiten übliche Erscheinung, dass der Streit mit den einen Mächten die Annäherung an andere bewirke. Dies habe in den Jahren 1843 und 1844 die endgültige Regelung der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Argentinien durch die formelle Anerkennung dieses Freistaates durch Bremen, Hamburg und Preußen veranlasst und im Anschluss daran die Bestätigung der deutschen Gemeinde in Buenos Aires.

Die Gründer hatten aus Sparsamkeitsrücksichten den Posten des Predigers und Lehrers auf eine Person vereinigt; die Schule sollte ein Hilfsmittel sein, um die schmale Besoldung des Predigers aufzubessern. Daher war das Presbyterium der Schule zwar übergeordnet, diese jedoch im übrigen Privatsache des Pastors, welcher vor allem das Schulgeld für s ich einzog, dafür aber etwaige Hilfskräfte bezahlen sollte. Dagegen kam die Gemeinde für die Miete der nötigen Räumlichkeiten auf.

Pastor Siegel eröffnete die Schule am 7. November 1843 in dem Hause Calle de la Universidad (heute Bolívar) Nr.172, welches die Gemeinde als Pfarrwohnung gemietet hatte. Wiederholt hatte er vorher von der Kanzel aus die Eltern aufgefordert, ihre Kinder einzuschreiben, ja, er war bei ihnen persönlich vorstellig geworden. Trotz aller seiner Bemühungen fanden sich indessen bei der Eröffnung nur 7 Schüler ein. So bescheiden ist der Anfang unserer Schule gewesen.

Entsprechend dem niedrigen Bildungsstand jener Zeit war der Lehrplan recht einfach. Der Unterricht fand von 10 bis 1 Uhr statt und beschränkte sich auf Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen, deutsche Sprache, Gesang und Erdkunde. Später kam noch Handarbeit für die Mädchen und 1851 auch Englisch hinzu. Dagegen blieb die spanische Sprache zu Rozas Zeiten ganz aus der Schule verbannt. Als eine Spanierin als Handarbeitslehrerin angestellt werden musste, geschah es nur unter der Bedingung, dass sie sich des Englischen bediene. Wie ändern sich doch die Zeiten! Damals hütete spanische Orthodoxie den Unterricht in der Landessprache eifersüchtig als ausschließliches Vorrecht, und heute sieht man es in patriotischem Überschwang mit Missgunst, wenn der Unterricht in einer anderen als der Landessprache erteilt wird. Obwohl Siegel bei der Eröffnung der Schule so wenig Verständnis für die Bedeutung eines geordneten Unterrichtes bei unsern Landsleuten gefunden hatte, so gelang es ihm doch allmählich, sie für die Schule zu interessieren und noch vor Ablauf des ersten Jahres die Schülerzahl auf 27 zu heben. Für diese Zahl erwies sich die Schulstube in der Pfarrwohnung als zu eng, und daher wurde in der Calle Rozas Nr. 91 (heute Calle Perú, Ecke Moreno) ein größerer Raum gemietet. Da die Kräfte des Geistlichen der doppelten Aufgabe eines Predigers und Schullehrers auf die Dauer nicht gewachsen waren, so veranlasste er die Gemeinde, ihm einen Hilfslehrer beizugeben, der zugleich die Kantorstelle versehen mochte und dessen Besoldung durch freiwillige Beiträge durch die Gemeindemitglieder bestritten werden sollte. Der erste wirkliche Lehrer, der jetzt an die Schule kam, war der Holsteiner HERMANN FRERS. Derselbe hat für das bescheidene Gehalt von etwa 400 Talern jährlich der Gemeinde 8 Jahre lang als treuer und tüchtiger Beamter gedient, bis ihn nach dem Sturze Rozas die argentinische Regierung als Schulinspektor auf ein größeres Wirkungsfeld berief. Ein Jahr vor seinem Fortgange siedelte die Schule am 6. Juni 1852 in ihr eigenes Heim in dem Gebäude hinter der evangelischen Kirche über, deren Grundstein Siegel 1851, am 18. Oktober, acht Jahre nach seiner Anerkennung als Prediger gelegt hatte. Dies Gebäude war bereits ein Jahr früher als die Kirche selbst, fertiggestellt worden. Die Einweihung der Kirche vollzog Siegel dann am 11. Januar 1853 in einer prächtigen Feier. Der Kirchenbau ist das große und eigenste Werk dieses ersten Predigers unserer Kolonie, der durch eine unermüdliche Werbetätigkeit die Mittel dazu beschafft hatte. Mit der Erbauung der Kirche hielt der verdienstvolle Mann seine Mission in Argentinien für erfüllt und kehrte nach der Heimat zurück, wohin ihn private Angelegenheiten riefen.

Nach Frers’s Ausscheiden übernahm den Unterricht der Lehrer ROBERT WERNICKE, der seit drei Jahren in der Familie des Konsuls C. Bunge tätig gewesen war. Bunge gehörte dem Presbyterium seit der Gründung der Gemeinde an und hatte als Kassierer eine bedeutende Summe für den Kirchenbau vorgeschossen. Wenn dieser einflussreiche Mann trotz seiner engen Verbindung mit der Schule seine Kinder privatim unterrichten ließ, müssen wir dann nicht schließen, dass die Schule nur auf sehr bescheidene Bedürfnisse eingestellt war? Trotzdem werden wir uns hüten müssen, dies dem Leiter zum Vorwurf zu machen. Denn die geistige Verwilderung, die infolge der jahrzehntelangen politischen Wirrnissen unter der einheimischen Bevölkerung eingetreten war, hatte sich notwendig auch auf unsere Kolonie übertragen müssen, und nur die lange, geduldige Arbeit einer günstigeren Periode konnte eine Besserung herbeiführen. Wernicke hatte die Schule auf eigene Rechnung übernommen. Er zog für sich die Schulgelder ein, deren Höhe jedoch von dem Presbyterium festgesetzt wurde. Dieses übte außerdem durch den neuen Geistlichen, Pastor SCHWEINITZ, die Aufsicht über die Schule aus. Da aus diesem unklaren Verhältnissen manche Misshelligkeiten entstanden, so zog sich Wernicke bereits im Jahre 1855 nach zweijähriger Tätigkeit von der Schule zurück. Daher wurden jetzt durch Vermittlung des Oberkirchenrates in Berlin zwei Lehrer berufen, die als Gemeindebeamte ein festes Gehalt bezogen. Hierdurch wurde die Schule völlig Gemeindeinstitut. Die berufenen Lehrer waren K. E. KEIL, der, als Erster Lehrer angestellt, an der Schule bis 1866 tätig war, und J. F. SCHROEDER, der als Zweiter Lehrer bis 1879 an der Schule wirkte. Die Leitung der Schule behielt der Pastor. 

In dem nun folgenden Jahrzehnt baute sich die Schule allmählich aus. 1859 wurde die dritte Schulklasse eingerichtet, die bereits im folgenden Jahre in eine erste und zweite Sprachklasse geteilt wurde. Da aus diesem Grunde eine weitere Lehrkraft erforderlich war, so beschloss man hierfür einen Hilfsgeistlichen anzustellen, der zugleich Konrektor sein sollte. Für diesen Posten wurde P. SCHUHMACHER berufen. Der Erste Geistliche blieb Rektor und Schulinspektor. 1860 kehrte P. Schweinitz nach Deutschland zurück. An seine Stelle trat als Prediger und Rektor P. GEHRCKE.

1864 wurde die Schule vierstufig und kam jetzt in ihrem Charakter einer Realschule nahe. Außer Deutsch und Englisch sind nun auch Spanisch, Französisch und Mathematik Unterrichtsgegenstände. Die Schülerzahl hob sich von etwa 100 im Jahr 1855 auf 137 im Jahr 1864.

So hatte die Schule erfreuliche Fortschritte gemacht. Jetzt (1864) aber zog ein Sturm herauf, der den Frieden der Kolonie und in engem Zusammenhang damit das Gedeihen der Schule auf das tiefste erschüttern sollte. Es hatte sich ein großer Kreis gebildet, der darin Anstoß nahm, dass die Leitung der Gemeinde völlig in den Händen einer kleinen, festgeschlossenen Gruppe von Männern lag, die in dem Presbyterium ihren Mittelpunkt hatte. Dies wurde um so schwerer ertragen, als in dem Lande nach Rozas Sturz (1852) eine sehr liberale Richtung zur Herrschaft gekommen war. Die Spannung, die in der Kolonie entstand, wurde so groß, dass ein geringfügiger Anlass (Miete des Schuldieners) genügte, um die Gärung in einen offenen Konflikt ausbrechen zu lassen. Nun begann ein erbitterter Kampf, der von der großen gleichgerichteten Bewegung, die neun Jahre später in Deutschland einsetzte, an Heftigkeit kaum erreicht wurde. Die Kolonie spaltete sich in zwei scharf getrennte Lager, so jedoch, dass die liberale Partei anfänglich entschieden die Oberhand hatte. Da ließen sich die Führer der Opposition in einer der Versammlungen, in der über die Neuordnung der Gemeindestatuten beraten werden sollte, in der unziemlichsten Weise zu Tätlichkeiten hinreißen und verscherzten dadurch die Sympathien der besonnener Gemeindemitglieder. Das Presbyterium gewann Zeit, um neue Kräfte zu sammeln, und riet die zahlreichen jungen Angestellten der großen hinter dem Presbyterium stehenden Geschäftshäuser auf den Plan. Als es daher auf der nächsten Generalversammlung eine neue Fassung der Statuten vorlegte, vermochte, es diese mit überwältigender Stimmenmehrheit durchzubringen. Der Zeitströmung Rechnung tragend, hatte es darin sich zwar ein Vertrauensmännerkollegium von 30 Mitgliedern übergeordnet. In Wirklichkeit blieb aber die Leitung der Gemeinde ganz in seinen Händen. Denn der Schulvorstand, der jetzt als ein Gegenstück zu ihm geschaffen wurde, bestand aus dem Ersten Pastor als Inspektor der Schule, dem Zweiten Pastor als ihrem Rektor und aus fünf Schulpflegern, von denen drei von den Vertrauensmänner und zwei von den Presbytern gewählt wurden. Die beiden Pastoren hatten als Inspektor und als Rektor in allen wichtigen Schulangelegenheiten die Entscheidung, insbesondere bestimmten sie den Lehrplan und entschieden bei der Anstellung der Lehrer. Daher traten die Gegner zum großen Teil aus der Gemeinde aus und gründeten den Verein „Vorwärts“ und bald darauf die „Neue deutsche Schule“. Diese tat anfangs der alten Anstalt bedeutenden Abbruch, deren Schülerzahl von 137 auf 84 sank, ging aber nach fünf Jahren wieder ein.

Zum Glück kam jetzt die Leitung der Schule an einen tüchtigen und fortschrittlich gesinnten Mann, P. ZOLLMANN. Er war 1866 auf P. Gehrcke gefolgt und vertrat als Inspektor der Schule mit Entschiedenheit den Standpunkt, dass man in umfassendster Weise die Verhältnisse des hiesigen Landes berücksichtigen müsse, da die meisten Schüler einmal in demselben ihren Beruf ausfüllen würden. In diesem Sinne schuf er 1870 eine neue Schulordnung, welche auch doppelte Buchführung zum Unterrichtsgegenstand machte. Dagegen wurde sein Plan, nichtdeutsche Kinder in die Schule aufzunehmen, von dem Schulvorstand missbilligt, da er den deutschen Charakter der Schule beeinträchtigen würde. 1874 kehrte P. Zollmann nach Deutschland zurück, und für ihn wurde P. GRIESEMANN berufen.

Wir befinden uns jetzt in der Zeit, als in Deutschland infolge der Maigesetze des Jahres 1873 Staat und Kirche in scharfer Fehde lagen. Die von diesem sogenannten Kulturkampf aufgeworfenen Wogen schlugen auch nach unserer Kolonie herüber und ließen die kirchenfeindlichen Bestrebungen wieder aufleben. Diesmal waren es aber weniger hitzige Fortschrittler, die gegen die klerikale Hochburg Sturm gelaufen waren, als vielmehr die beiden Pastoren selbst, die durch ihren Mangel an politischem Takt den Wiederausbruch des Kampfes verschuldeten. Sie haderten mit einander über ihre Befugnisse als Inspektor bzw. Rektor der Schule und brachten ihren Zwist vor das Vertrauensmännerkollegium, das denselben an der Wurzel abschnitt, indem es den Beschluss fasste, dass der Rektor ein akademisch gebildeter Lehrer, aber kein Theologe sein sollte. Ein neuer Konflikt entstand, als P. Griesemann gegen den Beschluss des Schulvorstandes, die körperliche Bestrafung in der Schule aufzuheben, als statutenwidrig protestierte. Da jedoch der Schulvorstand auf seinem Beschluss beharrte, legte P. Griesemann seine Stelle als Relgionslehrer und Inspektor der Schule nieder und trat dann auch von seinem Amt als Vorsitzender des Schulvorstandes zurück. Darauf wurde C. Sackmann zum Vorsitzenden des Schulvorstandes gewählt, und hiermit kam die oberste Stelle der Schulleitung zum ersten Male in die Hände eines Nichtgeistlichen. Diese Änderungen, durch welche die Schule von der Führung durch die Kirche befreit worden war, wurden dann von der Gemeinde durch die nötig gewordene Reform der Statuten sanktioniert (1875). Der erste Nichtgeistliche, der jetzt das Rektorat übernahm, war der Oberlehrer A. TITIUS. Er war je¼doch nur ein Jahr im Amte. Auf ihn folgten als Schulleiter der Philologe HEROI.D (1878-84) und M. BOELCKE (1884-90). Über die Wirksamkeit von Titius und Herold besitzen wir zu wenig Angaben, um uns über die Bedeutung dieser beiden Männer ein klares Urteil bilden zu können. Jedenfalls wuchs während ihrer Amtszeit die Schülerzahl sehr stark, von 190 im Jahr 1874 auf 313 im Jahr 1884, die Höchstzahl, welche die alte Anstalt erreicht hat. Boelcke übernahm somit die Schule in einem zum mindesten äußerlich blühenden Zustande. Wenn es ihm trotz seiner anerkannten pädagogischen Befähigung nicht vergönnt gewesen ist, die Anstalt auf der alten Höhe zu halten, so lag dies an der Ungunst jetzt hervortretender äußerer Verhältnisse. Die Räumlichkeiten der Schule ließen viel zu wünschen übrig. In dem engen Gebäude hinter der Kirche zusammengedrängt reichten sie für den starken Besuch kaum noch aus. Außerdem waren hohe Nachbarhäuser entstanden, die Luft und Licht abschnitten. Daher zogen die wohlhabenderen Familien es vor, ihre Kinder privatim unterrichten zu lassen, oder schickten sie nach Deutschland. Boelcke bemühte sich dabei eifrig, der Schule ein eigenes Gebäude zu verschaffen. Dieser Plan scheiterte jedoch infolge der schweren finanziellen Krisis jener Jahre. Die freiwilligen Beiträge flossen damals so spärlich, dass kaum die laufenden Ausgaben gedeckt werden konnten. Die Schülerzahl verringerte sich bis auf 243, die Anstalt drohte zur Armenschule herabzusinken.

Als Boelcke im Jahr 1890 ausschied, wurde auf seinen Rat die Schulleitung wieder dem Zweiten Geistlichen, P. BUTZ, anvertraut. Diese Maßnahme war nicht nur statutenwidrig, sondern barg auch große Gefahren in sich, da sic die Bedeutung der vorangegangenen Emanzipationskämpfe ganz verkennen ließ und neue Konflikte heraufbeschworen musste. Wenn man sich zu ihr entschloss, so geschah dies wohl wegen der drückenden Finanzlage. Der Kampf der Parteien erneuerte sich unter P. Bussmann, der im Jahr1894 die Stelle des Ersten Geistlichen antrat.

P. BUSSMANN war eine starke, mit sich fortreißende Persönlichkeit, welche dem matt gewordenen Gemeindeleben rasch neuen Schwung verlieh. Er begründete das Evangelische Gemeindeblatt, die La Plata Synode, die Seemannsmission und den Frauenverein. Sein Einfluss war so groß, dass er bereits ein Jahr nach seiner Ankunft eine Änderung der Statuten herbeiführen konnte, durch die bestimmt wurde, dass der zweite Geistliche in der Regel das Rektorat übernehmen und den Religionsunterricht erteilen sollte. Allerdings hatte diese Neufassung nur kurzen Bestand, und zwar war es Bussmann selbst, der auf eine nochmalige Umarbeitung hindrängte. Vielleicht empfand er, dass es ein Fehlgriff war, die Schule von neuem der Kirche untergeordnet zu haben. Vielleicht wurde er durch die drohenden Vorboten des schweren Sturmes gewarnt, der im Jahre 1898 gegen die Machtserweiterung der Kirche losbrechen sollte. Er schlug daher vor, dass die Gemeinde die Rechte einer juristischen Person erwerben sollte, da hierzu die Übertragung der Statuten ins Spanische nötig war, so solle man dieselben einer nochmaligen Revision unterziehen. In der Generalversammlung vom 19. Januar 1898 wurden die neuen Statuten angenommen, die dann bis zum Jahre 1920 gültig gewesen sind. Aus der Neufassung heben wir nur einen Punkt hervor. 3º lautet: Zweck der Gemeinde ist Aufrechterhaltung des christlichen Lebens und Erziehung der Kinder auf evangelischer Grundlage. Dagegen war die Bestimmung, dass der zweite Geistliche in der Regel Schulleiter sein solle, fortgefallen. 

Der Kampf um die Schule brach wieder aus, als im Jahre 1897 M. Hopff in das Vertrauensmännerkollegium gewählt wurde. Ein Mann mit einem stark ausgeprägten Eigenwillen besaß er gleich Bussmann in ungewöhnlichem Masse die Fähigkeit, die Massen für allgemeine Zwecke zu gewinnen. Als Mitglied der damals geschaffenen Propagandakommission zur Belebung des Gemeindelebens entfaltete er eine sehr rege Tätigkeit, und es war namentlich ihm zu verdanken, dass noch im Jahr 1897 die Mitgliederzahl von 636 auf 1007 anwuchs. Bald geriet er mit P. Bussmann und dem Schulvorstand in Zwistigkeiten, die ihn veranlassten, aus dem Vertrauensmännerkollegium auszutreten. Aus diesem Zerwürfnis zwischen einzelnen Personen erwuchs rasch der Kampf der Parteien, deren Programm sich schließlich in den Worten zusammenzog: kirchentreue Schule oder interkonfessionelle Schule. Die Anhänger der Reformpartei traten in geschlossener Schar aus der Gemeinde aus und gründeten am 19. August 1898 den Deutschen Schulverein, dessen Vorsitz Hopff bis zu seinem im Jahr 1909 erfolgten Tode geführt hat. Die von dem neuen Verein in der Cangallo-Strasse gegründete Schule und unsere eigene Schule sind lange fremd neben einander hergegangen. Aber die Zeit hat die einst scharfen Gegensätze gemildert, und die beiden Parteien haben erkannt, dass die besonderen Interessensphären, die sie vertreten, für die verschiedenen Gruppen der Kolonie ihre Berechtigung haben. Nach seiner Einwirkung auf die Entwicklung unserer Schulen nennen wir den Streit heute sogar ein segensreiches Ereignis. Denn auf ihn vor allem sind jene großen Anstrengungen unserer Kolonie zurückzuführen, die am La Plata ein deutsches Schulwesen geschaffen haben, dem die übrigen Nationen nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen haben.

Nach der Abspaltung des Deutschen Schulvereins ging die Schulkommission mit großer Energie an die Aufgabe, die unleugbaren Mangel, welche der Schule anhafteten, zu beheben. Vor allem galt es die Raumfrage zu losen. Wegen der großen Ausdehnung, welche die Hauptstadt bereits damals besaß, glaubte man jene Schwierigkeit am besten durch eine DESZENTRALISATION DER ANSTALT begegnen zu können. Die Aufteilung fand zu Schulanfang des Jahres 1899 statt. Nur die Elementarschule verblieb in dem Gebäude hinter der Kirche, für die Klassen der Höheren Knaben-Schule würden Räume in der Calle Arenales Nr. 3745 in Palermo. Calle Caseros Nr. 1184 an der Constitución und Calle Victoria Nr. 1657 im Zentrum gemietet. Die Höhere Mädchenschule wurde in der Calle Moreno Nr. 1768 eingerichtet.

Den gesteigerten Ansprüchen, welche diese verschiedenen Anstalten an die Kraft des Leiters stellten, vermochte der damalige Rektor, P. KAETZKE, nicht zu genügen, ohne seine Pflichten als Seelsorger zu vernachlässigen. Er trat daher von dem Rektorat zurück, für welches durch die Vermittlung des Preußischen Kultusministeriums der Philologe TH. PREUSS gewonnen wurde. Dieser hat der Schule von dem Jahre 1900 bis zum Schluss des Jahres 1903 vorgestanden.

Die Deszentralisation der Schule erwies sich bald als ein Fehlgriff. Die Miete für die zahlreichen Raume war sehr hoch, und dann lag auch der Schwerpunkt der Kolonie nicht mehr im Zentrum, wie bei der Einrichtung der Zweigschulen vorausgesetzt war, sondern hatte sich nach dem neuen, schonen Stadtteil Palermo verschoben. Daher wurde jetzt der Wunsch allgemein, der Schule ein eigenes würdiges Gebäude zu verschaffen. Es ist das besondere Verdienst zweier Mitglieder des damaligen Schulvorstandes, der Herren C. Schüssler und J. Plate, welche die Stelle des Vorsitzenden, bzw. des Schriftführers innehatten, dass jener Wunsch in einer so großartigen Weise verwirklicht worden ist, und dass unsere Schule das jetzige herrliche Gebäude ihr Eigen nennt. Diese beiden Männer sind auch später während langer Jahre als Vorsitzende (Schüssler bis 1911, Plate bis 1910) sowohl durch ihr persönliches Tun wie durch ihren Einfluss in der Kolonie unserer Anstalt eine feste Stütze gewesen. Überhaupt mochten wir es hier dankbar anerkennen, dass eine ganze Reihe gerade der tüchtigsten Männer der Kolonie unseren Schulen ihre Fürsorge gewidmet haben, in dem Sinne, dass sie den Schulvorständen nicht nur während der Jahre des Schulbesuches ihrer Kinder angehörten, sondern lange Zeit darüber hinaus das übernommene Amt treu und selbstlos, fast ohne jeden Dank verwaltet haben. Unter diesem Gesichtspunkte möchten wir für unsere Anstalt besonders die Herren O. Vi1mar und H. Wirth anführen, die in ihrer Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender bzw. Kassenwart im Dienste der Schule ergraut sind.

Indem wir wieder zu der Zeit des Schulbaues zurückkehren, müssen wir, ohne die Opferwilligkeit zahlreicher anderer Gemeindemitglieder nicht vergessen, namentlich auch Frau Clara Ziegler gedenken, die für den Schulbau gegen einen geringen Zins die Summe von 32.000 Taler Gold zur Verfügung stellte und damit das Unternehmen finanziell sicherte.

Am 10 Juli 1903 zogen die verschiedenen Schulen unter dem Namen GERMANIA-SCHULE in ihr neues Heim ein. In großzügiger Weise hatten die Gründer ein umfangreiches Gebäude geschaffen, das weit über die augenblicklichen Bedürfnisse der Anstalt hinausging. Aber im Hinblick auf die Bedeutung, welche unsere Kolonie gewonnen hatte. durften sie auf einen starken Zuspruch hoffen, wenn man das Unterneh¼men auf eine breite Grundlage stellte und auch den inneren Ausbau der Schule in zielbewusster Weise forderte. Daher wurde aus Deutschland an die Spitze der Anstalt ein junger energischer Schulmann berufen, Dr. W. RUGE, der zu Beginn des Jahres 1904 sein Amt antrat. Die ihm anvertraute Aufgabe, in den weiten Hallen neues Leben zu schaffen. nahm derselbe mit frischer Kraft in Angriff. Einerseits stellte er eine straffe Disziplin her und gab dem Lehrpersonal, das er antraf, durch die eigene Schaffensfreudigkeit einen neuen Ansporn, andererseits sorgte er dafür, dass die Anstalt sich ein höheres Lehrziel steckte und dass durch die Berufung mehrerer akademisch gebildeter Lehrer die Erweiterung zu einer Anstalt eingeleitet wurde, welche einer deutschen Realschule gleichkam. Seine Bemühungen hatten einen vollen Erfolg. Die Schule erlebte einen außerordentlichen Aufschwung, in wenigen Jahren wuchs die Schülerzahl von etwa 200 auf mehr als 400. Dr. Ruge hat der Schule nun bald zwanzig Jahre vorgestanden, die Hebung der Anstalt ist sein Lebenszweck geworden, ihr hat er seine ganze Kraft gewidmet und seine Ruhe, ja nicht selten seinen Frieden geopfert. Mit Genugtuung kann er heute auf seine Arbeit zurückblicken, denn geachtet steht die Germania-Schule da, auf einer der ersten Posten nicht nur der deutschen Schulen in Buenos Aires sondern unter den deutschen Lehranstalten des ganzen Auslandes.

Das Programm, welches von der Germania-Schule befolgt worden ist, hat namentlich auf die folgenden Punkte Wert gelegt: Die Schule ist stets energisch für die Aufrechterhaltung ihres deutschen Charakters eingetreten. Daher hat sie dem häufig geäußerten Wunsch, sie den Nationalschulen zu inkorporieren, nicht Folge leisten können, da sie dann den größeren Teil des Unterrichts in spanischer statt in der deutschen Sprache erteilen müsste.

Sie suchte trotzdem ihren Zöglinge die Wege zu ebnen, dass sie ohne Schwierigkeiten an die Nationalschulen übertreten können. Da¼her wurde im Jahr1908 ein spanischer Kursus eingerichtet, durch welchen die Schüler für das Ex amen General de Enseñanza Primaria vorbereitet werden, das seitdem alljährlich in der Germania Schule vor einer argentinischen Prüfungskommission mit dem besten Erfolg abgelegt wurde.

Ferner wurde im Jahr 1920 ein spanischer Kursus hinzugefügt, welcher die Schüler auch für das erste und zweite Jahr des Nationalkollegs vorbereitet. Diese Schüler unterziehen sich der Prüfung als estudiantes libres in dem uns benachbarten staatlichen Nationalkolleg Manuel Belgrano, dessen Professoren und Leiter in freundschaftlich-kollegialen Beziehungen zu unserer Anstalt stehen. Der Anschluss an die höheren Schulen Deutschlands ist bereits im Jahr 1907 vollzogen worden, als die Anstalt die deutsche Militärberechtigung erhielt, nachdem Kaiser Wilhelm II. persönlich hierfür eingetreten war. Als durch die Abschaffung der Dienstpflicht die Ausstellung des Militärzeugnisses bedeutungslos geworden war, wurde die Schule im Jahr 1919 ermächtigt, statt dessen eine Schlussprüfung abzuhalten, welche den Prüfungen die Versetzung in die Obersekunda der höheren Schulen Deutschlands zuerkennt.

Um der Anstalt einen festen Lehrerstamm zu erhalten, wurde eine Ruhegehaltskasse eingerichtet. Diese wurde bereits im Jahr 1906 angebahnt, als die Lehrer auf den Vorschlag des Direktors beschlossen, regelmäßig 10% ihres Gehaltes zu diesem Zweck zu hinterlegen. Im Jahre 1908 konnte die Kasse dann infolge einer größeren Schenkung ins Leben gerufen werden, die Frau Ernst Brandes dafür bestimmt hatte.

Die Anstalt hat es sich angelegen sein lassen, ihre Zöglinge auch außerhalb der Schulraume körperlich und geistig zu fordern, und hat daher mit großer Konsequenz und in einem wohl von keiner andern Auslandsschule erreichten Umfange die Schülerwanderungen gepflegt. Nicht zum wenigsten ist es auf den ungezwungenen Verkehr auf diesen Ausflügen zurückzuführen, dass sich zwischen Lehrern und Schülern ein engeres Verhältnis hat herausbilden können, und dass letztere in der Schule gleichsam ein zweites Heim erblicken, in dem sie sich zu gemeinsamer Arbeit und fröhlichem Spiel täglich gern vereinigen. Oft genug haben die jungen Leute, wenn sie die Schule schon längst verlassen hatten, es uns mit Dankbarkeit bezeugt, dass sie an ihre Schulzeit und an ihre alten Lehrer freudig zurückdenken. Kann aber eine Schule eine schönere Anerkennung für ihre Arbeit finden als die Anhänglichkeit der ehemaligen Schüler auch in ihrem ferneren Leben?

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass von der Germania-Schule die Anregung zur Gründung der Vereinigungen ehemaliger Schüler deutscher Lehranstalten ausging, über die in einem anderen Abschnitt dieser Festschrift ausführlich gehandelt wird.

Zum Schluss wollen wir uns noch kurz mit der für alle deutschen Auslandsschulen so wichtigen Frage beschäftigen, inwiefern der Lehrplan sich dem deutschen Programmen bzw. denen der neuen Heimat anzugleichen habe. Wie aus dem vorangehenden Abschnitt hervorgeht, sucht die Germania-Schule beiden Systemen zu genügen. Dr. Ruge hat diese Frage ausführlich in einem Vortrage untersucht, welchen er auf dem letzten deutschen Schultage zu Buenos Aires, im März 1921 gehalten hat. Wir geben daraus eine Stelle wieder, weil wir so am besten sehen, warum unsere Schule sich für den Mittelweg entschlossen hat:

„Wie soll denn nun eine gute deutsche Auslandsschule beschaffen sein? Das ergibt sich aus dem bereits Gesagten. Sie soll beiden Ländern gerecht werden, indem sie alle wesentlichen Forderungen der deutschen und der argentinischen (bzw. brasilianischen, chilen. etc.) Lehrpläne erfüllt. Wenn sie die deutschen Forderungen nicht erfüllt, ist sie keine deutsche Schule, wenn sie den argentinischen Forderungen nicht gerecht wird, so gibt sie ihren Schülern nicht die für die Fortsetzung ihrer Studien auf höheren argentinischen Schulen notwendigen oder für das praktische Leben erforderlichen Kenntnisse mit, die Schule hat dann ihren Beruf verfehlt; denn nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir bekanntlich. Um diese beiden Forderungen erfüllen zu können, müssen wir auf alles Entbehrliche verzichten. Nur dann können wir das Wichtige gründlich verarbeiten. Hier setzt nun die überaus wichtige Arbeit des Lehrerkollegiums und jedes einzelnen Lehrers ein, um die richtige Auswahl und eine zweckmassige Behandlung zu treffen. Über das Maß der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten müssen die Schüler sowohl vor den deutschen, als auch vor den argentinischen Behörden in den vorgeschriebenen amtlichen Prüfungen Rechenschaft ablegen. Solche Schüler werden dann auch in den höheren Lehranstalten, sei es in Deutschland oder in Argentinien, ihrer Schule Ehre machen, oder wenn sie von der Schule ins praktische Leben treten, überall ihren Mann stehen und dem deutschen amen Achtung verschaffen. Ich zweifle nicht daran, dass alle Eltern, Schulvorstände und Lehrer mir in der Theorie Recht geben, wenn ich die Forderung aufstelle:

Unsere deutsch-argentinische Jugend soll mit allem Wesentlichen für das Leben ausgestattet werden, was die deutschen und die argentinischen Lehrpläne an Gutem, Wahrem und Schönem enthalten, in deutscher Disziplin aufwachsen und zu gleicher Liebe für beide Länder erzogen werden, gleichwie sie Vater und Mutter mit derselben Liebe umfassen sollen. Wer, der ein Herz für unsere Jugend hat, wollte das nicht??

Wir sind am Ende unserer Darstellung angelangt und schauen noch einmal auf die lange Wanderung zurück, auf der wir unsere Schule von ihrer Gründung bis zur Gegenwart begleitet haben. An Höhen und Tiefen sind wir vorbeigekommen, wir sahen, wie die Schule lange Zeit fast in Niedrigkeit ihr Dasein fristete als ein wenig beachteter Pflegling der Kolonie, und wir erfuhren, wie sie andererseits zu wiederholten Malen als heiß umstrittener Mittelpunkt das ganze Interesse der Gemeinde in Anspruch genommen hat. Drei Generationen sind mit der Schule an uns vorbeigezogen, von Grund auf haben sich die Kulturmittel, die Sitten und Anschauungen geändert, und damit hat sich auch die Schule nach Form und Inhalt gewandelt. Aus einer einfachen Kirchenschule ist eine der stolzesten Schule des Deutschtums im Auslande geworden. Aber eines ist in dem Wechsel der Zei¼ten unberührt geblieben, das, was den innersten Kern der Schule ausmacht, der vaterländische Geist, der ihr von den Gründern eingepflanzt wurde, der Entschluss, dass sie nach treu deutscher Art die Kinder der Kolonie erziehen müsse. Rein und unantastbar hat sie dies Ideal durch den Lärm der Parteien hindurchgetragen, ihm ist sie stets treu geblieben, ihr eigentlicher Herzschlag ist es geworden. Dies Ideal, welches die Schule während ihrer langen und reichbewegten Vergangenheit hütete und pflegte, hat ihr ein klares und unzweideutiges Gepräge verliehen, aber ihr auch für die Zukunft eine feste Richtungslinie vorgeschrieben. Mögen ihr bis in ferne Zeiten nicht die Männer fehlen, die sie in diesem Geiste weiterführen.

Nuestro Colegio

Francisco López Pereyra

Hace setenta y ocho años que la Germania Schule abrió sus puertas e invitó a la población escolar argentina a que tomara asiento en sus bancos, donde se enseñara la bella ciencia del bien vivir, según los principios que preconizaban las nuevas ideas de los pedagogos alemanes, los que si pensaron y resolvieron problemas fundamentales de enseñanza querían a su vez, difundirlos a los cuatro vientos, para que la experiencia les diera su veredicto. Alemania es la cuna del nuevo evangelio escolar.

Generaciones y generaciones de argentinos han pasado por las aulas de nuestro colegio; ahí están sus registros que son toda una historia, donde se encuentran los nombres del modesto operario y del alto personaje, siendo unos y otros fieles servidores a su patria de nacimiento y alma viviente de las tradiciones de su raza.

La escuela ha venido cumpliendo su misión educadora sin desmayos, ni vacilaciones, y cada día más robusta y más compenetrada de su destino, ensancha su radio de acción hasta haber conseguido que sus alumnos adquieran justo distingo entre la juventud estudiosa del país.

En establecimientos de esta índole, donde la libertad de acción acarrea enormes responsabilidades, cada dirección marca una etapa, un rumbo, una característica, que hace Época en los anales escolares: son maneras de ver necesidades que deben llenarse afanosamente: la escuela tiene un fin y llegar a él debe ser el gran esfuerzo. La actual Dirección de la Germania Schule, se caracteriza por su afán de pensadora y de artista: fundir en un solo cuerpo el alma argentina con el alma germana, obteniendo así una nueva orientación en el desarrollo mental y físico de los alumnos. Nada de exclusivismos, nada de intolerancias. El hogar alemán calentado por el sol argentino nos está dando ya sus frutos; y así vemos a nuestros alumnos en los colegios nacionales, liceo de señoritas, escuela de comercio, escuelas militares, escuelas normales y universidades, bien nutridos por los laboriosos años cursados en nuestra Realschule. Nada digamos de los que en el alto comercio, en la banca y en las actividades agropecuarias han llegado a ejercer decisiva influencia.

La Germania Schule, llena, pues, una doble misión de alta moralidad patriótica: forma buenos ciudadanos argentinos y verdaderos obreros que pueden desenvolver su acción ventajosamente en éste su país de nacimiento al que aman entrañablemente y que tiene también justamente el culto de sus mayores.

Psychologischer Vergleich zwischen dem deutschen und dem einheimischen Schulwesen in Argentinien

A. Jatho

Durch den für uns unglücklichen Ausgang des großen Krieges sind die Interessen der Auslandsdeutschen in weit höherem Grade als früher mit denen des Landes ihrer neuen Wirksamkeit verknüpft worden, und für die allermeisten ist dieses endgültig die neue Heimat geworden. Dabei haben wir in Argentinien ansässigen Deutsche das Glück, das wir inmitten einer uns sympathischen Bevölkerung leben, deren ritterlichen Sinn wir im täglichem Verkehr schätzen gelernt haben. Wir sehen, wie sie für alles Große und Schöne zu erglühen vermag, und wissen, dass die Worte Freiheit und Fortschritt auf ihrem Banner leuchten. Was insbesondere das Unterrichtswesen anbetrifft, so haben seit den Tagen Sarmientos ihre Staatsmänner mit fester Hand zugegriffen und eine Organisation geschaffen, welche derjenigen der ersten Kulturvölker an die Seite gestellt werden darf. Angesichts dieser Tatsachen müssen wir uns fragen, ob in diesem Lande die Fortführung unserer deutschen Schulen noch weiter zweckmäßig ist, oder ob wir nicht richtiger handeln, wenn wir unsere Kinder den hiesigen Schulen zuführen, als den Quellen, wo sie am besten die für ihr späteres Fortkommen nötigen Kräfte schöpfen können. Der Zweck unserer Festschrift verbietet es, dass wir an diese Frage von allen ihren verschiedenen Seiten herantreten, und daher beschränken wir uns darauf. nur von dem Gesichtspunkt einer vergleichenden psychologischen Betrachtung auf sie einzugehen.

Der deutsche Lehrer, der nach Argentinien kommt und das hiesige Schulwesen kennenlernt, wird leicht manche Dinge finden, die in der Heimat anders sind. Vor allem wird ihm die verschiedene Arbeitsweise auffallen. Der deutsche Lehrer führt seine Schüler nach einem sicheren, methodischen Lehrgang langsam weiter, durch fortwährende Mitarbeit ist er ihnen behilflich, in unermüdlichem gemeinsamen Bemühen werden die geforderten Kenntnisse Schritt für Schritt erarbeitet, ein Wort, dem im Spanischen kein gleichbedeutendes gegenübersteht. Die Arbeit steht im Mittelpunkt des Unterrichtes, Arbeit ist der Weg, Arbeitsfähigkeit das Ziel. Die schönste Genugtuung des deutschen Lehrers ist das Bewusstsein, seine Schüler zu tüchtigen, strebsamen Menschen erzogen zu haben. Dass er ihnen durch solche treue Arbeit auch zu einem Schatz gründlicher Kenntnisse verholfen hat, kommt erst in zweiter Stelle in Betracht.

Wie anders ist dagegen das argentinische Unterrichtsideal! Der Sinnesart des Argentiniers entsprechend ist es vor allem ästhetisch gewendet. Wir dürfen nicht sagen, dass an den hiesigen Schulen nicht ebenfalls fleißig gearbeitet werde; besonders die Elementarschulen leisten Tüchtiges. Aber der ganze Unterricht wird von einem ganz anderen Rahmen umspannt. Während wir unseren Schülern vor allem Schaffensfreudigkeit einzupflanzen suchen, sehen die argentinischen Schulen ihre Hauptaufgabe in der Vermittlung einer feinen Kultur. Dies tritt schon äußerlich hervor. Wie viel Mühe und Zeit muss der junge Argentiner nicht darauf verwenden, um seine schriftlichen Arbeiten auch in einer äußerlich schönen Form vorzulegen: kalligraphische Überschriften, gemalte Randleisten, eingeklebte Bilder scheinen unentbehrlich zu sein. Und sehen wir auf den Inhalt, welche Freude herrscht da nicht an dem klangreichen Wort, an der schon gebauten Periode! Ferner soll sich der Schüler einen reichen Wissensschatz erwerben, denn Kenntnisse sind nicht nur nützlich, sondern auch ein Schmuck des Menschen. Dies kommt besonders in den Programmen zum Ausdruck. Die unsrigen sind eine Anweisung zur Errichtung eines einfachen, aber festgefügten Lehrgebäudes, die argentinischen gefallen sich dagegen in der Aufzählung unendlicher Einzelheiten und umschreiben ein enzyklopädisches Wissen. Bei dem loseren Zusammenhang der Kenntnisse des argentinischen Schülers kann auch die Tätigkeit des Lehrers eine freiere und weniger verpflichtende Form annehmen. Daher ist der argentinische Lehrer für seine Schüler nicht so sehr ein Mitarbeiter als vielmehr ihr Dozent. Er begnügt sich im allgemeinen damit, den Lehrstoff einzuteilen und klarzulegen, die Aneignung überlasst er dem Schüler selbst. Wie weit ihm dies letztere gelingt, muss er in dem Examen nachweisen. Dass hieraus ein Prüfungswesen mit manchen üblen Auswüchsen entstanden ist, brauchen wir hier nicht darzulegen.

Die lockere Form des argentinischen Lehrverfahrens wäre bei der größeren Schwerfälligkeit des deutschen Knaben an unseren Schulen kaum möglich. Aber umgekehrt müssen wir uns auch von dem Vorurteil freimachen, dass die hiesigen Schulen viel gewinnen würden, wenn man die deutsche Methode auf sie übertrüge. Denn es ist sehr fraglich, ob das so lebhafte und eigenwillige argentinische Kind es sich gefallen ließe, wenn man deutsche Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit von ihm forderte. Wie die deutsche Methodik aus unserem Wesen organisch hervorgewachsen ist, so entspricht auch die Pädagogik dieses Landes, wenngleich sie noch jung und vielfach unfertig ist, dem Charakter der Bevölkerung.

Halten wir uns die geschilderten Unterschiede vor Augen, so werden wir nicht darüber im Zweifel sein, dass unsere deutschen Schulen auch nach dem verlorenen Kriege hier noch ihre volle Berechtigung haben. Wenn unsere Kinder auch als Argentinier geboren sind und im Einklang mit der Eigenart ihres Geburtslandes erzogen werden müssen, so dürfen wir doch nicht vergessen, dass in ihren Adern deutsches Blut rollt und dass der ihnen angeborenen Art nur die deutschen Methoden wirklich gerecht werden können. Und sollte denn die Gewöhnung an treues und gewissenhaftes Arbeiten, zu welcher die deutschen Schulen ihre Schüler zu erziehen suchen, nicht auch in diesem Lande wichtig sein und bei dem immer scharfer werdenden Daseinskämpfe stetig an Bedeutung gewinnen? Wenn dieses feststeht, so werden wir auf unsere deutschen Schulen nicht verzichten wollen, denn wenn wir sie preisgeben, würden wir unsere beste Eigenschaft verleugnen und uns selbst untreu werden.