1922 | 13º Jahresbericht – Germanischer Schulverein Belgrano


An die Mitglieder bes Germanischen Schulvereins, an die Freunde und Gönner unserer Schule!

Ein schweres Jahr liegt hinter uns! Darüber, dass uns ein schwereres bevorsteht, ist sich der Vorstand völlig klar, er ist sich aber auch meiner verantwortungsvollen Aufgabe bewusst und hofft, sie durchführen zu können, wenn er weiter mit der bisher in so reichem Maasse geübten Opferfreudigkeit der Kolonie rechnen kann.

Unsere deutsche Volksschule hat von jeher ihre edelste Aufgabe darin erblickt, den Kindern wenig bemittelter oder armer Eltern bei einer erstklassigen Erziehung die geringsten Opfer aufzuerlegen, getreu dem Grundsätze “Für das Volk ist das Beste grade gut genug”. Und so erklärt es sich, dass wir noch bis vor kurzem mehr als der Hälfte der Schülerzahl Freistellen oder Ermässigungen einräumen mussten, ohne Rücksicht darauf, dass unsere an sich schon so geringen Erziehungskosten. Im letzten Jahre kostete die Erziehung eines Kindes in unserer Schule im Durchschnitt jährlich knapp $ 100,-, nicht einmal zur Hälfte durch Schulgeldeinnahmen gedeckt wurden. Wir sind also nach wie vor darauf angewiesen, den Fehlbetrag durch freiwillige Beiträge, Sammlungen, Schulfeste oder sonstwie aufzubringen. Wer aus diesem Grunde, wie es leider immer noch vorkommt, die Daseinsberechtigung unserer Schule in Zweifel zieht, den verweisen wir auf den im Schulberichte erwähnten Entwicklungsgang derselben. 294 Kinder, davon 91 % mit deutscher Muttersprache und über 1/3 mit Freistellen, haben im letzten Jahre unsere Schule besucht. Diese Ziffern sprechen wohl mehr, als viele Worte. Nichtsdestoweniger halten wir es für unsere Pflicht, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, dass vor allen anderen die deutschen Volksschulen Anspruch auf Unterstützung durch die Kolonie erheben müssen, um den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden zu können.

Trotz äusserster Sparsamkeit hat der starke Ausfall an Schulgeldern, sowie der geringe pekuniäre Erfolg unseres letzten Schulfestes die vom Vorstand beabsichtigt gewesene Tilgung unserer Schulden vereitelt. Immerhin war es uns möglich, die im letzten Jahresberichte erwähnten Schulden bei der Firma Koerting Hnos. Ltda. ganz abzutragen und diejenige bei der Compañía General de Obras Públicas S. A. von $ 8.500,- auf $ 5.000,- zu reduzieren, immer unter äusserster Einschränkung aller Ausgaben. Die grade für unsere Schuljugend so besonders notwendige Turnhalle schwebt also immer noch in weiter Ferne, denn der Vorstand konnte sich angesichts der trüben Aussichten für die Zukunft nicht zu einer Vergrösserung der schwebenden Schuldenlast entschliessen.

Dank dem Entgegenkommen des Neuen Deutschen Turnvereins war es unseren Schülern und Schülerinnen dennoch möglich, ausserhalb des gewöhnlichen Turnunterrichtes an einem regelrechten Turnkursus teilzunehmen, der 4 Nachmittage in der Woche auf unserem Schulplatze stattfand, und sei an dieser Stelle besonders den Herren Paul Seeger und A. Zähl gedankt, die sich in so aufopfernder und mustergiltiger Weise der Schuljugend beiderlei Geschlechtes widmeten.

Der deutschen Reichsregierung verdanken wir einen Zuschuss von M. 40.000,-, den wir bei der enormen Markentwertung zum Bezüge von Lehrmitteln aus Deutschland verwenden werden.

Unser Dank gebührt ferner der gesamten deutschen Kolonie, die uns trotz der schweren Zeiten wiederum in so vielfacher Weise unterstützt hat. Er gebührt in erster Linie den deutschen Banken und Geschäftshäusern für ihre Schenkungen, wie auch für Ueberlassung des Raumes ihrer laufenden Anzeigen in der deutschen Zeitung für unsere Schulfestpropaganda und im Besonderen den Firmen Koerting Hnos. Ltda. und Compañía General de Obras Públicas S. A. für ihr ausserordentliches Entgegenkommen bei Abtragung unserer Schulden; den Damen und Herren, die sich in rastloser Arbeit bei unserem Schulfeste betätigt haben unter ihnen vorzugsweise unsere ehemaligen Schülerinnen und Schüler die uns ausserdem noch durch Ueberweisung des Ueberschusses aus ihrem Stiftungsfeste eine ganz besondere Freude machten; den Damen Frau Oelsner und Fräulein Kaltheuner, die seit Jahren in hervorragender Weise zum Erfolg unserer Sammlungen beitragen und nicht zuletzt den beiden deutschen Zeitungen, die uns wie gewohnt ihre Spalten für unsere Veröffentlichungen zur Verfügung stellten.

Der staatliche Schulinspektor Herr Dr. Manuel J. Corbalán besuchte unsere Schule im Berichtsjahre verschiedentlich, und die am Ende des Schulberichtes veröffentlichten ausserordentlich lobenden Zeugnisse desselben beweisen uns, das unser Lehrkörper mit Herrn Rektor Heidrich an der Spitze nach wie vor erspriessliche Arbeit geleistet hat, für die ihm an dieser Stelle aufrichtig gedankt sei. Unser verehrter Herr Rektor Heidrich, der im verflossenen Jahre sein 60. Lebensjahr vollendete, wird dafür Sorge tragen, dass der Geist, der durch unsere Schule weht, derselbe bleibt, dann kann auch der Schulvorstand, wenn ihm die Unterstützung’der Kolonie bleibt, den kommenden schweren Zeiten mit Vertrauen entgegensehen und mit frischem Mute an die Arbeit des neuen Jahres herangehen.

Der Vorstand

Schulbericht

Wie vorauszusehen war. brachte auch das Schuljahr 1922 ein weiteres Wachsen der Zahl der Schüler an unserer Anstalt. Dieselbe erhöhte sich auf 294 Kinder. Ihre Namen sind im Anhang verzeichnet. In den Vorjahren besuchten unsere Schule vergleichsweise:

Im Schuljahr 1917 184 Kinder, 1918 192 » Zunahme 8, 1919 201 » Zunahme 9, 1920 225 » Zunahme 24, 1921 245 » Zunahme 20, 1922 294 » Zunahme 9

Es erhöhte sich also seit 1917 die Schülerzahl unserer Anstalt rund 60 %.

Die hohe Zahl von 70 Schülern in Klasse II. machte auch in diesem Jahr die Scheidung derselben in zwei Paralellelklassen A und B notwendig, und aller Voraussicht nach wird diese Notwendigkeit im kommenden Schuljahre sich auch bei der neuen Klasse IV ergeben, falls der Andrang zur Schule ein gleicher bleibt. Denn unter Abzug der 11 für die neu errichtete Klasse VII verbliebenen Schüler ergibt sich eine die der Vorjahre bedeutend übertreffende Zunahme der Kinderzahl, die nur zum kleineren Teil auf Konto Einwanderung aus Deutschland zu buchen, zum durchaus größeren Teile wohl eine Folge der günstigen Lage unserer Schule wie auch des philantropischen Sinnes unserer Schulvorstandes ist, hei dem unbemittele deutsche Eltern stets ein bereitwilliges Entgegenkommen bei ihren Gesuchen um schulgeldfreie Aufnahme ihrer Kinder in unsere Schule finden. So betrug auch in diesem Jahre die Zahl der Freischüler 35 %.

Der Staatsangehörigkeit nach waren von den 194 Schulkindern:

Deutsch-Argentiner 185, Reichsdeutsche 72, Argentiner 27, Oesterreicher 8 8 Schweizer 1, Ungarn 1

Der Gesundheitszustand der Schüler in den unteren Klassen wie auch der Schulbesuch ließen im verflossenen Schuljahre viel zu wünschen übrig. Schuld daran war wohl hauptsächlich der Winter mit seinen vielen Regentagen, doch hat sich auch in vielen Familien allmählich die nicht genug zu rügende Unsitte eingebürgert, die Kinder bei dem leisesten Anzeichen von Gewitterbildung zu Hause zu behalten, ohne zu beachten, welche Schwierigkeiten sie dem Fortkommen ihren eigenen Kindern wie dem Unterricht im allgemeinen dadurch bereiten. Unter den Krankheiten waren es besonders die Masern, die durch ihren epidemischen Charakter seit Monat September den Schulbesuch in Klasse I so gefährdeten, daß bei einer schulärztlichen Revision die Schließung derselben erfolgt wäre.

Durch den Tod verlor die Schule am 5. April den Schüler der III Klasse Friedrich Erdmann im zarten Alter von 10 Jahren. Die Mitschüler seiner Klasse sowie Abordnungen der höheren begleiteten seine sterbliche Hülle zur letzten Ruhestätte auf dem Deutschen Friedhofe, ein Schülerchor unter Leitung des Lehrers Herrn R. Müller sang ihm das letzte Schlummerlied dazu. Friede seiner Asche.

Die für dieses Jahr beabsichtigten Besuche industrieller sowie gemeinnütziger städtischer Unternehmungen sowie die im verflossenen Schuljahr mit so viel Erfolg gekrönten Ausflüge der Schüler in die Umgebung der Bundeshauptstadt erfuhren leider durch das feuchte Winterwetter eine außerordentliche Beschränkung; die Benutzung unserer Schülerbibliothek jedoch war eine ebenso eifrige wie im Vorjahre.

Durch die eingangs schon erwähnte Teilung der II Klasse in zwei Parallelklassen machte sich eine Vermehrung der an der Schule wirkenden Lehrer notwendig, und wurde Fräulein Maria B. Kaiser mit der neugeschaffenen Stelle betraut. Dieselbe ist Normallehrerin und blickt auf eine mehr als zweijährige Tätigkeit an Staatsschulen in der Provinz zurück.

Am 27. April schied unsere langjährige getreue Mitarbeiterin, die Lehrerin der spanischen Sprache an der Anstalt, Frau Eufemia C. de Cincunegui, unter allgemeinem Bedauern von der Anstalt. Dieselbe hatte sich durch eine achtjährige erfolgreiche Wirksamkeit die Wertschätzung des Schulvorstandes, die Hochachtung der Schulleitung und Lehrer wie auch die Liebe der ihr anvertrauten Zöglinge erworben. Ihr sei von dieser Stelle aus nochmals gedankt, für das was sie uns gewesen. An ihre Stelle trat Fräulein Luisa Bezchinsky Miller, die das Amt ihrer Vorgängerin schon einen ganzen Monat vorher vertretungsweise zur größten Zufriedenheit ausgeführt hatte.

Am Ende des Schuljahres trat Herr Edgar W. Rohn freiwillig von der Schule zurück, um in die Belgrano-Schule eintreten zu können. Auch ihm sei von diesem Orte aus für sein zweijähriges Wirken an der Anstalt bestens gedankt. Unterhandlungen, ihn zu ersetzen, sind sofort mit einem im Auslandsdienste bewährten Lehrer, der im August des verflossenen Jahres sich um eine Stelle an unserer Schule beworben hat, begonnen worden, und erwarten wir seine telegraphische Antwort aus Deutschland.

Das Schuljahr hatte 219 Schultage. Es schloß am 20. Dezember mit einer sinnigen Weihnachtsfeier.

Im Laufe des Jahres unterzog der staatliche Schulinspektor Dr. Manuel .T. Corvalan sechsmal die Anstalt einer eingehenden Besichtigung und äußerte sich stets günstig über den Stand der Schule. Seine Beurteilungen sind im Buch «Informes Oficiales» niedergelegt.