1914 | 5º Jahresbericht – Germanischer Schulverein Belgrano
Deutsche Schule Belgrano u. Germania-Schule
Schulbericht
Das Schuljahr 1914 hat weder auf innerem noch äusserem Gebiete eine merkliche Weiterentwicklung der Deutschen Schule Belgrano gebracht.
Die Ursachen dieses scheinbaren Stillstandes setzen sich aus einer Reihe von Einzelheiten zusammen, die ausserhalb des bescheidenen Machtbereichs dieser Anstalt liegen. Schon der auf den 9. Februar festgesetzte Beginn des Schuljahres musste auf den 16. dieses Monats verschoben werden, da die zum Ersatz der am Schlüsse des Schuljahres 1913 ausgeschiedenen Lehrkräfte im Deutschen Reiche durch das Auswärtige Amt verpflichteten Lehrer zur Zeit noch nicht eingetroffen waren, sondern erst zu Ende dieses Monats anlangten. Da ein weiteres Aufschieben des Schulanfanges aus leicht zu begreifenden Gründen nicht tätlich erschien, wurde die Schule an genanntem 16. Februar mit einem an Zahl mangelhaften Lehrpersonal — von 5 fehlten 2 — eröffnet und das Schuljahr am 19. Dezember infolge im Laufe des Schuljahres weiter eingetretenen Veränderungen in der Zahl der Lehrkräfte mit gleichfalls verminderter Zahl an Lehrkräften beendet.
Dieser Ausfall von 7 Schultagen nebst anderen, welche durch die Vorgesetzte Schulbehörde des Landes aus Anlass des Ablebens hoher politischer Persönlichkeiten verfügt wurden, verkürzten die Dauer dieses Schuljahres um 12 Tage im Vergleich zum vor verflossenen. Das Schuljahr zählte nur 239 Schultage. Die im Schulberichte des Jahres 1913 gerügten Missstände, die sich aus der räumlichen Trennung der beiden Schulgebäude Monroe 3021 u. Cramer 2654 ergebenen deren Räumen die Klassen der Deutschen Schule Belgrano sich befinden, konnten leider nicht abgeschafft werden und werden ihre Schatten auch in das kommende Schuljahr hineinwerfen. Auch birgt dieser Dualismus der Räume die latente Gefahr in sich, dass die Vorgesetzte Behörde dieser Trennung der Klassen der Schule die weitere Erlaubnis versagen.
Die Schule besuchten im Laufe des Jahres 171 Kinder. Auf die einzelnen Nationalitäten verteilt ergibt sich folgendes Bild:
Reichsdeutsche 40, Oestereicher 26, Schweizer 4, Argentiner 83, Brasilianer 9, Holländer 2, Paraguayer 2, Dänen 1, Chilenen 1, Finnländer 1, Nordamerikaner 1, Franzosen 1
Die Abnahme der Schülerzahl im Schuljahre 1914 hat ihre Ursache in den erschwerten wirtschaftlichen Verhältnissen des Landes, welche viele deutsche Eltern abhielt, ihre schulpflichtigen Kinder in diesem Jahre zur Schule zu schicken.
Der Schulbesuch war im allgemeinen ein befriedigender, der Gesundheitszustand der Schüler ein ausgezeichneter. Keine der gefährlichen Kinderkrankheiten, an deren Folgen am 12. Januar 1914 der Schüler Julius Biandau verschied, hat dieses Jahr die Schuljugend heimgesucht, was wir mit Genugtuung an dieser Stelle vermerken.
In ihren Folgen weitgreifende Veränderungen hat der Lehrkörper in diesem Jahre erfahren. Derselbe setzte sich nach dem Ende Februar erfolgten Eintreffen der durch Kontrakt verpflichteten Herren Walter Lommatzsch und Willy Regeniter aus diesen und den Damen Frau Elisabeth Koepcke und Fräulein Eufemia Cincunegui und dem Unterzeichneten Leiter zusammen. Den englischen Unterricht in den Oberstufen erteilte Herr Geoffrey Smith, den Handarbeits-unterricht Fräulein Berta Kaltheuner. Doch der im August vergangenen Jahres ausgebrochene europäische Krieg bestimmte die beiden jungen militärpflichtigen Herren nach Europa zurückzukehren, um ihren Pflichten als Vaterlandsverteidiger nachzukommen, und so verHessen uns Ende August Herr Regeniter und 2 Monate später Herr Lommatzsch, welche auch glücklich das Land ihrer Sehnsucht erreicht haben. Die hiermit für den Verein verknüpften ausserordentlichen Ausgaben gestalteten es demselben nicht, für beide geschiedenen Herren Vertretungen zu beschaffen, und so vertraten den zuerst abgereisten Herrn Regeniter Herr Lommatzsch und der Unterzeichnete. Herr Lommatzsch wurde nach seiner Abreise durch Frau Jaccard ersetzt, die uns vom Direktor der Germaniaschule, Herrn Dr. Rüge, warm empfohlen wurde. Genanntem Herrn wie auch Frau Hedwig Horn, die an Stelle des Herrn GeolTrey Smith unentgeltlich den Unterricht in der englischen Sprache seit dem Monat November erteilte, sagen wir an dieser Stelle den besten Dank für die freundliche Unterstützung. Ermöglicht wurde die Vertretung der fehlenden 5. Lehrkraft durch die Einführung des Nachmittagsunterrichtes für den 1.Jahrgang, woraus für die beiden vertretenden Kräfte ein auf die Dauer schwer zu bewältigendes Übermass von Arbeit, für den Unterzeichneten bis 39 Stunden wöchentlich, sich ergeben haben. Eine andere Lösung des Problems, ohne die Erreichung des Lehrzieles der einzelnen Klassen zu gefährden, war aber nicht durchführbar, und in diesem Bewusstsein haben die beiden Lehrkräfte gern und freudig diese schwere Bürde auf sich genommen und getragen.
Zwei erhebende Lichtblicke strahlten in die Herzen unseser Jugend inmitten des ermüdenden Einerlei der täglichen Arbeit und verliehen den jugendlichen Herzen jenen hohen Schwung patriotischer Begeisterung, wie diese nur ausserordentlich bedeutungsvolle Ereignisse zeitigen können.
Der erste derselben war der Besuch der beiden deutschen Grosskampfschiffe „Kaiser“ und „König Albert“, die von den Knaben im Alter von mehr als 10 Jahren in Gemeinschaft mit denen der anderen deutschen Schulen am 13. und 14. März in dem Vor-hafen von Montevideo besichtigt wurden.
Bedeutungsvoller, noch weit inniger und erhabener, weil allen Knaben sowohl als auch Mädchen teilhaftig, war der Eindruck den Seine König). Hoheit Prinz Heinrich von Preussen durch seinen Besuch der Schule am 30. desselben Monats in den Herzen unserer Schuljugend hinterliess. Der hohe leutselige Herr hat sich an dem Tage in jedem der Herzen unserer Kleinen einen Tempel erbaut, den keine Menschenhand zu zerstören vermag.
Dies waren deutsche Tage im fernen Ausland, sie gaben dem deutschen Bewußtsein die zu seiner kräftigen Fortentwicklung so nötige Nahrung.
Die Feier der nationalen Festtage (25 de Mayo und 9 de Julio) beging die Schule wie alljährlich in einer dem Staatsbürgertum der Mehrheit unserer Schüler Rechnung tragenden Art, über welche in den deutschen Zeitungen berichtet worden ist.
Wie in früheren Jahren besuchten auch im verflossenen die Schüler, unter Leitung ihrer Lehrer den Zoo zur Belebung und Befestigung ihrer naturgeschichtlichen Kenntnisse. Ausflüge ins Freie mussten leider dieses Jahr aus Gründen des Nachmittagsunterrichtes unterbleiben.
Das Anschauungsmaterial für den naturwissenschaftlichen und geographischen Unterricht hat auch in diesem Jahre eine angenehme Bereicherung erfahren. Vom hiesigen Acker bau Ministerium erhielt die Schule durch gütige Vermittlung des Herrn Darmstädter 100 klassifizierte Mineralien, weiche den Kindern ein anschauliches Bild des Reichtums Argentiniens an verborgenen, wenig ausgebeuteten Bodenschätzen zugeben geeignet sind, und durch Vermittlung der Kaiserlich Deutschen Gesandtschaft vom Kultusministerium in Berlin 12 Karten geographischen, 8 geschichtlichen Inhalts, wie auch 4 Bilder für den Anschauungsunterricht und Turn- und Spielmittel. Desgleichen gingen der Schule von privater Seite Zu-
Wendungen von Anschauungsmitteln (Herr Ewald Weiland schenkte Modelle des menschlichen Herzens und Hirns) als auch Bücher für die Bibliothek zu.
Für alle diese Zuwendungen in dieser ernsten Zeit sagt die Schule den gütigen Gebern an dieser Stelle nochmals den besten Dank.
Zugleich stärken diese Gaben die Hoffnung in uns, dass auch im kommenden Schuljahre der Deutschen Schule Bel-grano Freunde und Gönner nicht fehlen werden, die die mit Schwierigkeiten verschiedenster Art kämpfende Pflanzstätte unter den deutschen Schulen des Bundesbezirks ihre Unterstützung nicht versagen werden, und diese zum Heil und Forderung des deutschen Ansehens und Namens erhalten werde.
Adolf Heidrich
Rektor