1925 | 82º Jahresbericht – Germania-Schule
Geleitwort
«An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen».
Wenn wir an diesem Wort unsere Schule messen, können wir in Ehren bestehen. Davon zeugen rein äußerlich die bestandenen Prüfungen, die vor den deutschen und argentinischen Behörden abgelegt wurden. In der Prima haben alle 7 Knaben die Abschlußprüfung bestanden, darunter befand sich das beste Examen, das seit etwa 20 Jahren bei uns abgelegt wurde. Sekundaner und Primaner haben gemeinsam als «incorporierte» Schüler (17) im Colegio Manuel Belgrano von der gründlichen Arbeit der Germania-Schule mit wenigen Ausnahmen ein glänzendes Zeugnis abgelegt. Alle 25 Tertianer, 16 Knaben und 9 Mädchen, haben das «Examen General de Enseñanza Primaria» mit Erfolg bestanden. Das soll auch im nächsten Jahre so sein, die gewissenhafte Arbeit unserer bewährten Lehrkräfte bürgt uns dafür.
Diese äußeren Befähigungsnachweise sind heutzutage unentbehrlich geworden für unsere Schüler weit höher schätzen einsichtige Menschen neben den unentbehrlichen Zeugnissen die inneren Erziehungsergebnisse; wir wollen nicht bloß Wissen vermitteln, sondern charaktervolle, willensstarke und freie Menschen erziehen. Über die Arbeit der Germania-Schule in dieser Richtung besteht in der ganzen deutschen Kolonie nur ein Urteil, das uns mit dankbarer Genugtuung erfüllt. Nehmen wir dazu die Tatsache, dass wir mit stark besuchten Oberklassen und einer guten Gesamtschülerzahl dem neuen Schuljahr entgegengehen, so müssten wir uns des Erfolges freuen, und doch ist dem nicht so: den guten Lehrerfolgen steht eine schlechte Finanzlage gegenüber. Der Versuch, die Einnahmen der Schule durch Erhöhung des Schulgeldes zu vergrößern, hat die gegenteilige Wirkung gehabt, eine größere Anzahl weniger bemittelter Schüler sind abgegangen, so dass die Einnahmen einen weiteren allerdings geringem Rückgang erfuhren. Zu dem allgemein üblichen Mittel, den zahlreichen Bazaren noch einen weiteren hinzuzufügen, konnte sie der Schulvorstand nicht entschließen, auch nicht dazu, mit der Sammelliste wieder an die als opferfreudig bekannten Geschäftshäuser und Mitglieder der Kolonie heranzutreten, die immer und ewig geben sollen.
Aber von der Bescheidenheit kann man nicht leben! Und wir haben das Gefühl, manchmal zu bescheiden gewesen zu sein: andere, die mit lauterer Stimme klagten, sind besser dabei gefahren.
Besonders schmerzlich berührt es uns, feststellen zu müssen, dass wir bei unserem treuesten Helfer, dem Deutschen Reiche, nicht mehr die Unterstützung finden, auf die wir uns durch mehr als 8 Jahrzehnte lang für die Erhaltung des Deutschtums in Argentinien geleistete Dienste ein Anrecht erworben zu haben glauben. Die steigenden Anforderungen der neu gegründeten Kolo-nisten-Schulen haben die zur Verfügung stehenden Mittel aufgebraucht und für uns ist daher nichts mehr übrig geblieben. — Wir sind hierbei versucht, an das Gleichnis von dem Gärtner zu denken, der die junge Aussaat pflegt, ohne zu wissen, was für Früchte sie ihm bringen wird — den alten Baum aber, der seit einem Menschenalter immer gute Früchte getragen hat, verdorren lässt. Damit dies nicht geschehe, hoffen wir, dass man sich in der Heimat entschließen wird, für die neuen Schulen neue Mittel aufzubringen und uns wieder die alte Reichsunterstützung zuteilwerden zu lassen, die wir ebenso sehr verdient wie bitter nötig haben.
Mag unsere Lage auch heute schwierig scheinen, der Schulvorstand lässt sich dadurch nicht entmutigen; er weiß, dass er, wenn es die Erhaltung unserer Germania-Schule gilt, mit der Unterstützung ihrer alten Freunde immer rechnen kann und hat selbst schon Schritte auf neuen Wegen vorbereitet, um das erprobte, gute Alte zu erhalten.
Das ist Ehrensache!