1912 | 68º Jahresbericht – Germania-Schule
Schulbericht über das Jahr 1912
Allgemeines
Die Schule spielt im Leben des Ausländsdeutschen eine noch wichtigere Rolle als daheim im Lande der Schulen. Er bringt ihr auch erheblich grössere Opfer dar. Warum das so ist, ist leicht einzusehen: Ohne die Schule gibt es kein Fortbestehen des Deutschtums im Auslande. Aus diesem Grunde hat unsere Reichsbehörde seit einigen Jahren diesen Schulen erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet. Wie wir dankbar anerkennen, tut sie auch viel für dieselben, wenngleich bei den wachsenden Ansprüchen, die von allen Seiten an sie herantreten, sie unsern Schulen nur beschränkte Hilfsmittel zuwenden kann. In der Tat erfährt die deutsche Auslandsschule die tatkräftigste Förderung durch den deutschen Grosskaufmann des Auslandes wie des Inlandes. Wertvolle Dienste leistet dabei der Allgemeine Deutsche Schulverein, Ortsgruppe Hamburg. Was der deutsche Kaufmann für unsere Auslandsschulen opfert, trägt ihm hundertfältige Frucht; denn die aus diesen Schulen hervorgehenden Ausländsdeutschen bilden ein immer stärker anwachsendes Heer von Pfadfindern und Bahnbrechern für den deutschen Handel, die deutsche Schifffahrt und Industrie. Das ist eine Wahrheit, die nicht oft genug betont werden kann.
Es ist eine anerkennenswerte Tatsache, die von den übrigen Nationen oft mit Neid empfunden wird, dass überall in der Welt, wo eine Handvoll Deutsche bei einander wohnen, sie sich zusammentun und keine Opfer scheuen, um eine deutsche Schule zu gründen. Wir finden deutsche Schulen bekanntlich nicht nur in den grossen überseeischen Handelsplätzen, sondern in zahlreichen armen Pikaden des brasilianischen Urwaldes, ebenso wie in der argentinischen Pampa und in den entlegensten Tälern der chilenischen Kordilleren, obwohl die fremde Landesregierung den Söhnen und Töchtern der Eingewanderten in den Schulen des Landes kostenfreien Unterricht bietet; aber unsere Schulgemeinden wissen, dass mit der Sprache der Väter auch deutsches Fühlen und Denken, deutscher Fleiss und deutsche Tatkraft abgelegt werden würden.
Aus der Art ihres Entstehens und ihrer Erhaltung durch die Filtern der Schüler ergibt sich für die Auslandsschule ein wichtiger Unterschied gegenüber den Schulen unserer Heimat: während in Deutschland die Eltern in Schulfragen auffallenderweise so gut wie nichts zu sagen haben, ist es in der Auslandsschule umgekehrt, die Eltern haben allein zu sagen. Welches Übel das grössere ist, wird sich kaum entscheiden lassen. Jedenfalls ist es für den fachmännisch gebildeten Lehrer, gleichviel ob Seminariker oder Akademiker, oft eine harte Geduldsprobe, wenn jemand, der vielleicht selber nur mit bescheidenem Erfolg ein paar Jahre die Schule besucht hat, sein Schulrat sein will. Glücklicherweise tritt in den grossen städtischen Kolonien dieser Fall nur selten ein. Dort sitzen in den Schulvorständen meistens gebildete, taktvolle Männer; obwohl es auch dort oft nicht leicht ist, namentlich für das verantwortungsvolle und wenig dankbare Amt des Vorsitzenden eine geeignete, einflussreiche Persönlichkeit zu gewinnen.
Die meisten jungen Lehrer, die hoffnungsfroh ins Ausland gehen, sind über die überseeischen Verhältnisse nicht ausreichend unterrichtet. Das ist bei vielen der Grund, warum sie nach einer kurzen, ruhmlosen Gastrolle enttäuscht und mit ungerechten Vorurteilen über die Auslandsschulen in die Heimat zurückkehren; denn auch die oftmals glänzend erscheinende Besoldung stellt sich in Wirklichkeit als knapp ausreichend heraus. Man sollte nachgerade wissen, dass die Lehrer, wie alle Geistesarbeiter, nirgends in der Welt reichlich bezahlt werden. Wer irdische Schätze sammeln will, muss nicht Lehrer werden ; aber dass er anständig besoldet werde, darf der Lehrer erwarten, denn er leistet seinem Volke wertvolle Arbeit, welche hier im Auslande schwerer ist, als mancher daheim sich träumen lässt. Welcher Auslandslehrer, der es ernst mit seinem Berufe nimmt, ist nicht schon mutlos aus seiner Klasse gegangen und hat den Jungen nachgeschaut mit der bitteren Frage im Herzen: „Hat deine Arbeit und Mühe einen Zweck? Ist nicht alles, was du tust, umsonst?^ Die Welt, in der die Schüler leben, dies fremde Land und seine Sprache, Sitte und völkische Eigenart ihrer Kameraden, dazu das erschlaffende Klima und wie sonst all die geheimen Miterzieher und entgegenwirkenden Einflüsse heissen mögen, reden eine eindrucksvollere Sprache als du. Und ist es nicht diese Generation, die nächste ist um so sicherer dem Deutschtum verloren !u Ja, fast sollte man es selber glauben, und es ist doch nicht so. Es liegt eine wunderbare Kraft in unserer alten, tiefwurzelnden Kultur und eine noch unergründlichere in deutschem Blute Dafür bieten uns die deutschen Kolonien Südbrasiliens, die wir auf der letzten Ferienwanderung unsern Schülern zeigten, ein ebenso schönes wie beredtes Beispiel. Zwar noch lieber hätten wir unsere Jungen nach Deutschland selber geführt, um sie am Urborn unserer Kraft zu stärken, aber es war doch schon für Schüler und Lehrer ein tiefes Erlebnis, unter den Palmen Brasiliens ein Stück unverfälschten, kraftvollen Deutschtums in sich aufzunehmen. Der überaus herzliche Empfang, der uns dort von unsern treudeutschen Landsleuten zu teil wurde, wird unvergesslich in den jungen Herzen leben. Und was wir Alten nicht mehr vollbringen können, das werden einst unsere Schüler, so Gott will, zustandebringen: einen Kultur-zusammenschluss aller Deutschen in Südamerika.
Wenden wir uns nach diesen allgemeinen Betrachtungen den besonderen Verhältnissen unserer Schule zu, so dürfen wir mit Freude feststellen, dass das abgelaufene 68. Schuljahr einen in jeder Hinsicht befriedigenden Verlauf genommen hat: Der Schulvorstand hat seiner schwierigen Aufgabe, die finanzielle Fundierung der Anstalt immer mehr zu sanieren, in hervorragender Weise gerecht werden können, indem einige Herren, die nicht genannt werden möchten, sich der Mühe unterzogen, zum Besten der Schule eine Sammlung zu veranstalten, die ein glänzendes Ergebnis zeitigte. Das Lehrer-Kollegium hat sich in stiller, emsiger Arbeit bemüht, den hohen Aufgaben, die sein Beruf ihm stellt, Genüge zu leisten. Darum war es allen Mitgliedern des Lehrkörpers eine besondere Genugtuung, dass ein erfahrener Fachmann, Herr Professor Wetekamp, Direktor des Werner – Siemens- Realgymnasiums zu Berlin-Schöneberg, nachdem er mehrere Tage dem Unterricht beigewohnt hatte, uns die erfreuliche Versicherung gab, die Germania-Schule könne sich in Bezug auf ihre Unterrichtserfolge den mustergültigen gleichartigen Anstalten des Reiches ohne Überhebung an die Seite stellen, während sie •im Hinblick auf das freundliche Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern manchen dieser Schulen als Vorbild dienen könne. Auch im Einzelnen verdanken wir dem genannten Herrn verschiedene wertvolle Fingerzeige und Anregungen.
Die Schüler za hl ist im Berichtsjahr um ein Geringes gewachsen, sie stieg von 420 auf 446, obwohl die allgemeine Geschäftslage sowie die Gründung von 2 neuen deutschen Schulen in den Vorstädten von Buenos Aires eher einen Rückgang hätten erwarten lassen. Die Studien unserer Schüler waren von gutem Erfolge gekrönt, wie die Prüfungsberichte auf Seite 12 erkennen lassen. Wie in den vorhergehenden Jahren war unsere Anstalt bemüht, nicht bloss Lernschule zu sein, sondern den modernen Bestrebungen nach Arbeits -unterricht Rechnung zu tragen. Wie die Bildertafel auf Seite 97 veranschaulicht, wurde z. B. im Zeichenunterricht •das Modellieren in Ton mit Eifer gepflegt. Für die körperliche Ausbildung der Jugend wurde durch Turnen, Schwimmen, Rudern und Wandern auch ausserhalb der Schulstunden Sorge getragen; während die diesjährige Ferienwanderung nicht bloss als fröhliche Turnfahrt, sondern auch als eine wertvolle Bereicherung des geistigen Lebens auf der ganzen Linie unseres Arbeitsgebietes angesprochen werden darf. Alles Nähere ergeben die nachfolgenden Einzelberichte.
Der Schulvorstand
Zu Anfang des Berichtsjahres gehörten folgende Herren dem Schulvorstande an: J. Plate, Vorsitzender; O. Vilmar, stellvertretender Vorsitzender; H. Wirth, Kassenführer; F. Schäfer, Schriftführer; R. Bösenberg, W. Dierks, Th. Funck, F. Groebly, R. Kauert, C. Zitzke und Direktor Dr. Rüge, Beisitzer.
Im Laufe des Berichtsjahres wurde Herr M. Boley in den Schulvorstand gewählt. Im übrigen war die Zusammensetzung des Vorstandes am Schluss des Schuljahres die gleiche wie zu Anfang desselben.
Der Vorstand dankt an erster Stelle den Reichsbehörden, dem Auswärtigen Amte zu Berlin, der Kaiserlichen Gesandtschaft und dem Kaiserlichen Generalkonsulate zu Buenos Aires für das der Germania-Schule auch in diesem Jahre bewiesene Wohlwollen und Interesse.
Dank der Hochherzigkeit einer Reihe von Gönnern und Freunden der Anstalt ergab eine zur Deckung von Belastungen der Schule veranstaltete Sammlung die Summe von $ 52,18] .89 m/1. Durch Rückzahlung einer Hypothek von $ 16,000 Gold und Abzahlung eines Teiles der Schuld an die Gemeinde erfährt unser Zinsendienst eine dauernde Verminderung. Den Gebern spricht der Schulvorstand an dieser Stelle nochmals seinen verbindlichsten Dank aus. Im Laufe des Jahres wurden der Schule ausserdem folgende Schenkungen zu teil:
von Herrn N.N. in bar $ 100.— m/l.
von Herrn Arturo Mönch 10 Schuldscheine, Serie B 987,50
von Herren Möller & Comp. 5 Schuldscheine 500,—
von Frau Ww. Lüscher, 3 Schuldscheine $ 300.- Gold $ 1587,50. m/l. $ 300.— Gold.
Der Schulvorstand spricht den freundlichen Gebern hierdurch seinen herzlichsten Dank aus. Er dankt ferner der Deutschen La Plata Zeitung für die wertvolle Unterstützung, die sie unserer Arbeit hat zuteil werden lassen. Desgleichen dankt er allen, die durch Schenkungen und Zuwendungen die Sammlungen der Schule bereichert haben.
Der Direktor der Schule fühlt sich dem unbekannten Spender einer ausgezeichneten Schreibmaschine, die er eines Morgens in seinem Amtszimmer auf dem Schreibtische gleichzeitig mit der quittierten Rechnung über $ 272.— m/1, fand, zu besonderem Danke verpflichtet, wurde ihm durch diese Aufmerksamkeit doch ein längst gehegter Wunsch erfüllt und ihm wie seinen Mitarbeitern eine grosse Erleichterung bei den schriftlichen Arbeiten zu teil. Desgleichen dankt die Schule bestens Herrn M. Boley, der den Direktor beauftragte, auf seine Kosten aus Deutschland ein möglichst gutes Schulmikroskop kommen zu lassen, da die vorhandenen Instrumente den heutigen Anforderungen nicht mehr voll genügten.
Das Lehrerkollegium
Der Lehrkörper der Schule setzte sich im Berichtsjahre aus 15 Herren und 9 Damen, wie folgt zusammen:
Direktor Dr. W. Rüge, Oberlehrer A. Jatho, Oberlehrer M. Wilfert, Oberlehrer Dr. E. L. Schmidt, L. Kegel, F. Löpez-Pereyra, R. Stengel, M. Külling, C. Sennewald, B. Uebe, A. Suhr, E. Haumann, P. Echevarria, J. Albicker, H. Keller, Frl. M. Klingenberg, Frl. A. Behr, Frl. Dra. M. Rothkopf, Frl. H. Ebermann, Frl. R. Pizarro, Frau E. Sommer, Frau E. Beutelspacher, Frau E. Farwig und Frau H. Kraul.
Im Monat September vermählte sich Frl. M. Klingenberg mit Herrn Mittelschullehrer R. Stengel und trat aus diesem Grunde von ihrem Lehramte zurück. Im gleichen Monat schied auch Frau E. Sommer aus dem Lehrerkollegium aus, um sich ganz den Pflichten ihres jungen Haushaltes zu widmen. Frl. Klins:enberg;s Klasse wurde von Frl. A. Behr
Als Nachfolgerin für Frau Sommer wurde für Beginn des neuen Schuljahres Frl. E. Boeter (Fräul. E. Boeter, geboren am 11. Juli 1888 zu Garding in Schleswig-Holstein, evangelischen Bekenntnisses, besuchte die Unterrichtsanstalten des Klosters St. Johannis zu Hamburg, an dessen Lehrerinnen-Seminar sie am 4. II, 1809 die Prüfung für Lehrerinnen an höheren Mädchenschulen bestand. Sie war seitdem als Hauslehrerin und als Lehrerin an höheren Töchterschulen in Hamburg tätig.) vom Schulvorstande berufen Bis zum Schluss des Schuljahres übernahm Frau E. Morck vertretungsweise die Klasse. Mit Ende des Schuljahres wird auch Frau H. Kraul zur Wiederherstellung ihrer angegriffenen Gesundheit ihre Lehrtätigkeit an der Germania – Schule aufgeben. Der Schulvorstand dankt den scheidenden drei trefflichen Lehrkräften für die der Schule in mehrjähriger treuer Pflichterfüllung geleisteten wertvollen Dienste.
Zum Schluss des Jahres liefen auch die Kontrakte von drei Herren des Lehrerkollegiums ab. Jedoch fanden sich alle drei bereit, ihre schätzbaren Dienste auch weiterhin der Schule zu widmen. Und zwar haben Herr Oberlehrer Wilfert und Herr Turnlehrer Haumann sich auf weitere 3 Jahre verpflichtet, während der Vertrag mit Herrn Oberlehrer Dr. Schmidt auf seinen Wunsch zunächst nur auf ein Jahr verlängert wurde. Wenn es schon im allgemeinen wünschenswert erscheint, dass Lehrkräfte, die sich in die besonderen Verhältnisse der Auslandsschule mit Erfolg eingearbeitet haben, die erworbenen Erfahrungen auch auf längere Jahre der Anstalt dienstbar machen, so ist doch das Verbleiben der genannten Herren wegen ihrer persönlichen Eigenschaften und pädagogischen Befähigung uns besonders erfreulich gewesen. Auch sehen wir in der Verlängerung der drei Kontrakte einen Beweis dafür, dass das Los, welches die Germania-Schule ihren Beamten bietet, diese befriedigt.
Herr Haumann hat am 28. November einen dreimonatlichen Heimatsurlaub angetreten, von dem er Ende Februar an die Schule zurückkehren wird Mit einer Ausnahme erfreuten sich alle Kollegen einer guten Gesundheit, sodass Vertretungen auf längere Zeit nur in der höheren Mädchenschule notwendig wurden.
Die Schüler
Im ganzen besuchten 446 Schüler (gegen 420 im Vorjahre) die Germania-Schule.
(277 Knaben, 169 Mädchen). Davon waren 62 Freischüler, und 22 Kinder genossen Schulgeldermässigung.
Der Gesundheitszustand der Schüler war befriedigend. In den -oberen Klassen war der Schulbesuch regelmässig, in den unteren wurde er zeitweilig durch Kinderkrankheiten beeinträchtigt. Leider hatte die Anstalt unter ihren Schülern einen Todesfall zu beklagen. Der zwölfjährige Simon Rotenstein, Schüler der 3. Elementarklasse, zog sich eine Tetanus-Infektion zu. Obwohl drei -namhafte Ärzte ihre ganze Kunst aufboten, den Knaben zu retten, erlag er dieser heimtückischen Krankheit. Mit der unglücklichen Mutter betrauern wir den Verlust des so früh dahingerafften lieben Schülers.
Der Schlussprüfung, deren Bestehen die Berechtigung zum ein-jährig-freiwilligen Dienst im deutschen Heere verleiht, unterzogen sich mit Erfolg die Primaner: Albert Vehrmann, Alexander Husson und Gerhard Petersen.
Lehrerseminar. Die Schüler und Schülerinnen, welche sich auf den Lehrerberuf vorbereiten, befinden sich in den entsprechenden Oberklassen der Real- und der höheren Mädchenschule, um ihre allgemeine Bildung mit den übrigen Zöglingen gemeinsam zu empfangen. Nach einem Jahre wird der Oberkursus beginnen, der die pädagogische und praktische Ausbildung geben soll und drei weitere Jahre in Anspruch nehmen wird. Ausser den allgemeinen Schulfächern haben die betreffenden Schüler schon jetzt einen besonderen Musikunterricht, der sich auf Theorie und Klavierspiel erstreckt und von Herrn C. Sennewald geleitet wird. Leider haben von den 6 Zöglingen, die sich das ideale Ziel gesteckt hatten. Lehrer der Jugend zu werden, bereits drei den Plan wieder aufgegeben: einer wegen nicht ausreichender Begabung und Mangel an Fleiss und zwei, um schneller zum Erwerb zu gelangen.
In Bezug auf die Prüfungen für höhere argentinische Schulen wurde an unserer Anstalt eine wichtige Neuerung versuchsweise eingeführt. Die argentinische Unterrichtsbehörde hatte verfügt, wie es heisst, um den übergrossen Zudrang zu den Staatsgymnasien einzuschränken, dass die Schüler statt der verhältnismässig leichtern Aufnahmeprüfung (ingreso) eine Prüfung ab-zulegen haben, in der sie nachweisen, dass sie den gesamten Lehrstoff des 6-jährigen Elementar-Unterrichts beherrschen (examen de egreso). Nach eingehender Beratung in den Lehrerkonferenzen wurde beschlossen, eine ganze Klasse, die Tertia der Realschule, auf die Prüfung vorzubereiten, indem der gesamte Lehrstoff, den die staatlichen Programme fordern, in spanischer Sprache von den Fachlehrern der Tertia repetiert wurde. Die Anforderungen im Deutschen, Englischen und Französischen sollten auf das Notwendigste beschränkt werden. Die Aufgabe stellte sowohl an die Schüler wie an die Lehrer ungewöhnlich hohe Anforderungen, welche aber durch einen über alles Erwarten günstigen Erfolg reich belohnt wurden. Gegen Schluss des Jahres erbat der Direktor der Anstalt von der argentinischere Schulbehörde die Ernennung einer Prüfungskommission. Die Bitte wurde erfüllt. Am 4. Dezember fand in der Germania-schule unter dem Vorsitz des Schulinspektors Dr. Manuel J. Corvalan vor der Prüfungskommission, der die Herren Raul Luis Berna-delli, Benito F. Vaccarezza und Manuel Zambrano angehörten, die von den Lehrern der Germania-Schule unterstützt wurden, die Prüfung statt. Dieselbe gibt den Schülern das Recht, ohne weiteres Examen in irgendeine höhere argentinische Schule einzutreten.
Es unterzogen sich der Prüfung folgende 17 Schüler, die sämtlich bestanden: Fritz Bernhard, Fritz Boley, Ewald Friebel, Rudolf Gonzalez, Ernst Grobly, Richard Grözinger, Fritz Grümer, Richard Koch, Adolf Marxen, Walter Nattkemper, Ernst Nienstedt, Herbert Plate, Wilhelm Reid, Hermann Schweim, Kurt Uhlenburg, August Wetschky und August Willers.
Von der Tertia aufwärts haben wir den Schülern ein angemessenes Teil Selbstregierung zugebilligt. (Die unteren Klassen sind natürlich noch nicht reif dazu.) Die Selbstverwaltung hat sich, sofern eine starke Lehrerpersönlichkeit dahintersteht, als ein brauchbares Erziehungsmittel erwiesen, das sich bei den Schülern im Lande der Freiheit grösser Beliebtheit erfreut.
Die Schülerbibliothek wurde auch in diesem Jahre von den Knaben und Mädchen fleissig benutzt. Von 146 Schülern wurden 1098 Bücher gelesen. Im Hinblick auf dies erfreuliche Interesse der Schüler für gute Bücher wurde vom Schulvorstande eine grössere Summe für Neuanschaffungen bewilligt, ausserdem sollen den Kindern gute Bücher als Geschenke überwiesen werden.
Über die Schülerwanderungen und die Ferienreise des letzten Jahres geben die Sonderberichte Aufschluss, ausserdem wurden eine Anzahl Lehr-Spaziergänge unternommen. Den Besitzern, die uns den Besuch ihrer Anstalten freundlichst gestatteten, sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt.
Schulfeste
Am 20. Dezember abends 8V2 Uhr fand unter reger Beteiligung von Eltern und Schulfreunden in der Aula der Schule die Weihnachts- und Schlussfeier statt. Dieselbe wurde durch einen Klaviervortrag, „Polonaise brillante“ von C. M. Weber, eingeleitet. Darauf gab der Direktor in einer Ansprache einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse des letzten Schuljahres.
Auf die Rede des Direktors folgte ein Menuett für Geigen, vorgetragen von den Gebrüdern Fehrmann, zwei Schülern der Anstalt. Danach öffnete sich der Vorhang und zeigte in magischer Beleuchtung „Christkindleins Einzug”. Auf der Bühne erscheint ein von Elfen und Gnomen geführter Wagen, auf dem das Christkindlein den braven Kindern die prächtigsten Weihnachtsgaben bringt. Den Höhepunkt des Festes bildete das Weihnachtsfestspiel „Waldgeister in der heiligen Nacht“. Es stellt die Besserung eines kleinen Mädchens und eines ungezogenen Buben durch die Elfen und Zwerge dar. Ausserordentlich schön und stimmungsvoll wirkte der Elfenreigen im Mondschein. Zwischen dem 1. und 2. Aufzuge trug ein Mädchenchor das zweistimmige Lied „Chor der Tannen“ vor. Der zweite Aufzug führte die gebesserten Kinder .wieder ihrer Mutter zu. Das Stück gab vielfach Gelegenheit, die alten, ewig schönen Weihnachtslieder teils von einzelnen Gruppen, teils vom Chor zu Gehör zu bringen.
Die kleinen Darsteller taten ihr Bestes, und die Damen und Herren des Kollegiums hatten keine Mühe gescheut, um die hübsche Weihnachtsfeier möglichst sorgfältig vorzubereiten. Auch der grosse prachtvolle Weihnachtsbaum im Lichterglanze erhöhte die festliche Stimmung. Mit der Feier war gleichzeitig eine Ausstellung von Handarbeiten der Mädchen verbunden. So fand das Schuljahr einen schönen Abschluss.
Das neue Schuljahr wurde durch einen Festakt eingeleitet, bei welchem der Direktor eine Ansprache an die Schüler richtete. Am 24. Mai wurde das argentinische Nationalfest mit patriotischen Liedern, einer Festrede des Lehrers Herrn Pedro Echevarria und einem Festspiel, das von Frl. Doctora Rothkopf für diese Feier verfasst worden war, in würdiger Weise begangen. Das Stück, „Patria y Caridad“ betitelt, fand lebhaften Beifall, desgleichen eine Schar kleiner Soldaten in der Tracht der ehemaligen „Patricios“, die bei frischem Gesang ihre Exerzitien vorführten (siehe Bild). Mehrere Vertreter der argentinischen Schulbehörde, darunter Herr Bismarck Lagos, der Generalinspektor der Privatschulen, beehrten die Feier mit ihrer Gegenwart.
Am 31. Oktober hielt Herr Oberlehrer Dr. Schmidt in der Aula der Schule einen Lichtbildervortrag über die diesjährige Schülerfahrt der Germania-Schule nach Rio Grande, Porto Alegre und den deutsch-brasilianischen Kolonien seiner Umgebung. Der Reinertrag des Vortrages floss in die Reisekasse, der ausserdem von mehreren Vätern, deren Söhne an dem Ausflug teilgenommen hatten, Zuwendungen gemacht wurden.
Mitteilungen an die Eltern
Anmeldungen neuer Schüler werden vom 1. bis 10. Februar 1913 täglich von 8 bis 11 Uhr im Direktorzimmer der Germania-Schule entgegengenommen. Geburts- und Impfschein sind vorzulegen.
Der Schluss der Anmeldungen und der Beginn des Unterrichts sind auf Montag, den 10. Februar, morgens 9 Uhr, festgesetzt worden. Bei der Anmeldung ist das Schulgeld für einen Monat als Aufnahmegebühr zu entrichten. Der Schulvorstand wird sich erlauben, wie in den vergangenen Jahren, das Schulgeld für den Monat Januar in der Wohnung der Eltern durch den Kassenboten erheben zu lassen.
Das Schulgeld beträgt: in der Elementarschule, 6. und 5. Klasse $ 4, 4. und 3. Klasse $ 5
und 2. und 1. Klasse $ 6 ‘X. in der Vorschule, IX. $ 8, VIII. $ 10 und VII. $ 12 %. in der Realschule, VI. $ 15, V. und IV. $ 20, III—I. $ 25 %. in der höheren Mädchenschule, 6. und 5. Klasse $ 15, 4. und 3. Klasse $ 18 und 2. und 1. Klasse $ 20 %.
In der Elementarschule finden Gesuche unbemittelter Eltern um Ermässigung oder Erlass des Schulgeldes die weitgehendste Berücksichtigung; auch in der Realschule sind für gut begabte, fleissige Kinder unbemittelter Eltern Freistellen vorgesehen.
Befreiung vom Unterricht: Der Unterricht im Turnen und Singen ist für alle Schüler verbindlich. Befreiung vom Turnunterricht wird vom Direktor nur auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung erteilt, in der Regel nur auf die Dauer eines Jahres. Von der Teilnahme am Gesang kann der Direktor ausser auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung auch dann entbinden, wenn der Mangel der Befähigung zum Singen von dem Gesanglehrer festgestellt worden ist.
Versäumnisse: Die Schule verlangt von ihren Schülern den regelmässigen und pünktlichen Besuch aller vorgeschriebenen Unterrichtsstunden, sowie der Schulfeierlichkeiten und sonstigen Veranstaltungen der Schule. Jede Versäumnis ist schriftlich zu entschuldigen.
Bei ansteckenden Krankheiten in der Familie oder Pension eines Schülers ist er vom Schulbesuche fernzuhalten. Schüler, welche selbst von ansteckenden Krankheiten befallen werden, insbesondere von Pocken, Ruhr, Masern, Röteln, Scharlach, Diphteritis, Unterleibstyphus, ansteckender Augenentzündung, Mumps (Ziegenpeter) und Keuchhusten, dürfen erst dann wieder in die Schule zurückkehren, wenn die Gefahr der Ansteckung nach ärztlicher Bescheinigung als beseitigt anzusehen ist. Eltern, welche durch Bescheinigung als beseitigt anzusehen ist. Eltern, welche durch Nichtbeachtung dieser Vorschriften andere Kinder in Ander Germania-Schule zu gewärtigen. Bei plötzlich eintretendem Unwohlsein ist die Erlaubnis, nach Hause gehen zu dürfen, von dem gerade unterrichtenden Lehrer zu erbitten.
An die Mitglieder der Gemeinde!
C. Aue., Ph. Bendinger, C. Boie, W. Dierks, T. Hug, H. von Bernard, M. Boley, R. Bösenberg, 0. Cordes, Ph. Funck, F. Schäfer, A. Schwägermann, 0. Vilmar, H. Wirth.
Beiliegend übersenden wir den Mitgliedern den Bericht der Germania-Schule über das Jahr 1912.
Betreffs der Angaben über Mitgliederzahl und Rechnungswesen verweisen wir auf die Teilberichte.
Das Vertrauensnhinner-Kollegium setzt sich aus folgenden Herren zusammen:
Mit Amtsdauer bis 1913:
R. Kauert, P. Küster, H. Liebau, H. Löhr, C. Moll,
Mit Amtsdauer bis 1915:
J. Fuchs, R. Petersen, F. Gröbly, J. Plate, H. Hollmann sr., H. Tjarks, J. Ilosmann, M. Opitz,
In dem Anfang 1913 zur Versendung gelangenden Kirchen- und Gemeindebericht wird über die Generalversammlungen und über die Sitzungen des Kollegiums berichtet werden.
BUENOS AIRES, im Dezember 1912.
Das Vertrauensmänner-Kollegium:
J. Plate, Vorsitzender,
0. Vilmar, stellvertretender Vorsitzender,
H. Wirth, Kassenführer,
F. Schäfer, Schriftführer.
Der Schulvorstand:
J. Plate, Dr. W. Rüge,
Vorsitzender. Direktor.
E. Weyrauch, C. Zitzke.