1917 | 21º Jahresbericht – Deutscher Schulverein Belgrano
Vereinsbericht
Unter dem sich auch hier immer mehr fühlbar machenden Einflüsse des Weltkrieges hat die Belgrano-Schule ihr 21. Vereinsjahr zurückgelegt, über welches Ihnen der Vorstand hiermit zu berichten die Ehre hat.
Vor Allem haben wir den Verlust zu erwähnen, welchen unser Schulverein im verflossenen Jahre durch das Ableben seines ersten Vorsitzenden, Herrn Th. Classen, erlitten hat. Seit dem Jahre 1904 hat der Verstorbene unserer Schule sein persönliches Interesse sowohl wie seine materielle Unterstützung in namhafterWeise zugewandt, zuerst als Mitglied des Konsortiums für den Schulhausbau und seit dem Jahre 1907 als Mitglied des Schulvereins. Im März 1916 hat er aus patriotischem Pflichtgefühl und in Erkennung der Notwendigkeit, gerade in so schwerer Zeit wie sie der Krieg geschaffen, der deutschen Schule als der Pflanzstätte des Deutschtums im Auslande ganz besondere Fürsorge angedeihen lassen zu müssen, die Wahl in den Vorstand und das Amt des 1. Vorsitzenden angenommen. Ein gründlicher Kenner der hiesigen Verhältnisse und überzeugt von dem hohen Werte deutscher Schulbildung für unsere Jugend, hochgeschätzt in der deutschen Kolonie und stets von dem Wunsche beseelt, Gutes zu schaffen und zu helfen, wo Hilfe am Platze schien, genoss er das vollste Vertrauen des Schulvereins und der Vorstandsmitglieder ebenso wie des Lehrerkollegiums. Es war eine Lust, mit diesem immer liebenswürdigen Herrn, der in der Sorge um die Erziehung der Jugend selbst sich wieder jung fühlte, für das Wohl der Schule zusammenzuarbeiten. Am 30. Juli 1917 wurde er uns und seiner Familie ganz plötzlich durch den Tod entrissen. Tief trauernd haben wir ihn mit einer Abordnung von Schülern am 1. August zu seiner letzen Ruhestätte begleitet. Herr M. F. Bohm widmete ihm im Namen des Vorstandes am Grabe Worte des Dankes für seine grossen Verdienste um unsere Schule, aber auch an dieser Stelle wollen wir nochmals seines Wirkens und Schaffens im Interesse der Belgrano-Schule dankend gedenken.
Die 20. ordentliche Generalversammlung fand am 31. März 1917 statt. Jahresbericht und Rechnungsablage wurden einstimmig angenommen. Bei der Wahl von 6 Vorstandsmitgliedern wurden wiedergewählt die Herren J. Carl, W. Petersen, W. Stahringer, und neu gewählt die Herren Q. Clemens, A. Ellinger, E. Stengel. Der Vorstand für das Jahr 1917 bildete sich alsdann wie folgt:
1.Vorsitzender Herr Th. Classen
2.Vorsitzender Herr W. Stahringer
Kassenwart Herr W. Petersen
Schriftführer Herr A. Ellinger
Beisitzer: die Herren M. F. Bohm, J. Carl, G. Clemens, A. Kjiker, O. B. Mengen,L. Siegerist, E. Stengel.
Herr Ed. Möring übernahm wieder in entgegenkommender Weise das Amt des Syndikus.
Nach dem Tode des Herrn Classen übernahm Herr Stahringer den Vorsitz; zur Ergänzung wurde Herr Carlos Peters in den Vorstand einberufen.
Herr Aug. Küker ist im September als Vorstandsmitglied zurückgetreten; ein Ersatzmann für ihn ist inzwischen nicht einberufen worden.
Mit Schluss dieses Vereinsjahres scheiden statutengemäss und wiederwählbar aus dem Vorstande aus die Herren M. F. Bohm, O. B. Mengen, L. Siegerist und Carlos Peters, zu wählen hat die Generalversammlung jedoch 5 neue Vorstandsmitglieder.
Der Vorstand hat sich im verflossenen Vereinsjahre zu fünfzehn Sitzungen vereinigt.
Die Zahl unserer Mitglieder betrug 95 Ende 1917, hat also gegenüber dem Vorjahre eine kleine Abnahme erfahren. Wir vermissen leider noch immer solche neue Mitglieder, die dem Aufrufe in unserem vorigen Jahresberichte folgend durch ihre Mitgliedschaft die Erhaltung, Förderung und Unterstützung unseres für die Deutsche Kolonie Bel-granos sowohl wie für die Erhaltung des Deutschtums hier überhaupt so wichtigen Unternehmens im Auge haben, ohne gerade nur auf den pekuniären Vorteil zu sehen, welchen die Mitgliedschaft in unserem Verein den Vätern schulpflichtiger Kinder allenfalls bietet. Wir machen weiter die bedauerliche Erfahrung, dass viele Väter in dem Augenblick, in welchem ihre Kinder unsere Schule verlassen, unserem Vereine ihre Mitgliedschaft und damit ihre Unterstützung entziehen. Die Anforderungen an unsere Vereinskasse sind in den letzten Jahren mit Riesenschritten gewachsen und konnten trotz grösster Sparsamkeit nicht im Einklang mit den Einnahmen gehalten werden. Die Zahl der Gesuche um Ermässigung bezw. Erlass des Schulgeldes ist infolge der finanziellen Schwierigkeiten, in welche so viele deutsche Familien durch den Krieg geraten sind, von Jahr zu Jahr grösser geworden. Für unsere Kasse bedeutet dies im Jahre 1917 1916 1915 1914 einen Ausfall von $ 15.384.- $ 13.092.- $ 11.000.— $ 8.100.-
Trotzdem wir für das laufende Schuljahr jeden einzelnen Fall von Neuem genau erwogen haben, belaufen sich bis jetzt die Gesuche um Schulgeldermässigung bezw. Erlass, denen wir im Interesse unserer Schule und der betreffenden Kinder stattzugeben für unsere Pflicht gehalten haben, auf 45 für 82 Kinder, und der dadurch verursachte Ausfall an Schulgeld fürs Jahr 1918 beträgt vorläufig schon $. 14.600.— Aber auch die früher mit wenigen Ausnahmen pünktlich geleisteten Schulgeldzahlungen erleiden in den letzten Jahren ganz wesentliche Verzögerungen. Sie betragen bis Ende des Jahres 1917, von den letzten 4 Jahren herrührend, $ 12.139.75. Diese Tatsachen, zusammen mit dem Rückgang der Zahl solcher Kinder, für die volles Schulgeld bezahlt wird, und mit der Mehrausgabe für die noch während des Krieges bewilligte Erhöhung von Lehrergehältern haben ein Defizit in unserem Abschluss für 1917 unvermeidlich gemacht.
Es ist schon längst der Beweis geliefert, dass unsere Schule nicht mehr als Privatschule zu betrachten ist, denn sie nimmt immer mehr Anteil an der Erziehung der deutschen Jugend hier im Allgemeinen. Aus diesem Grunde verdient sie auch dasselbe Interesse und dieselbe Unterstützung seitens der gesamten Deutschen Kolonie hier wie die übrigen deutschen Schulen. Wir zweifeln nicht, dass, wenn wir uns ‘demnächst zur Deckung unseres Defizits um finanzielle Beihilfe’ an die Deutsche Kolonie zu wenden gezwungen sehen, wir bei ihr auch jetzt wieder eine ebenso nachhaltige Unterstützung finden werden, wie bei früheren Gelegenheiten, um so mehr, als es sich darum handelt, ausserordentlichen an unsere Schule gestellten Anforderungen während des Krieges gerecht zu werden.
Wir bitten aber an dieser Stelle auch die Eltern von Schülern, ehe sie um Ermässigung nachsuchen, sich darüber genau Rechenschaft abzulegen, dass sic von der Schule jetzt während der schweren Zeit ein Opfer verlangen, das sie nur im Falle wirklicher Not und Dürftigkeit in Anspruch nehmen sollten, wenn es ihnen absolut unmöglich ist, die für eine gute Schulbildung ihrer Kinder unerlässlichen Kosten aufzubringen. Für eine selbstverständliche Ehrenpflicht halten wir es, dass Ermässigungen und Erlasse, die der Schulverein unter Berücksichtigung vorübergehend schwieriger Lagen gestattet, bei eintretender Besserung der Schulkasse nachvergütet werden.
Über die Schülerzahl geben die dem Schulberichte eingefügten Tabellen genauen Aufschluss. Wenn wir auch wegen des Krieges die geplante Organisation noch nicht ganz verwirklichen konnten, so hat doch der Unterricht im verflossenen Jahre seinen regelrechten Verlauf genommen und schöne Resultate gezeitigt. Alle Schüler, die sich zu der Einjährigen-Prüfung bezw. zu dem Examen de Ingreso in das Colegio Nacional gemeldet hatten, haben bestanden. Um denjenigen Schülern, welche durch den Krieg verhindert sind, nach Absolvierung unserer Untersekunda ihre Studien an einer Schule drüben fortzusetzen, hier
zu ihrer weiteren Ausbildung Gelegenheit zu geben, wurde im vorigen Jahre an unserer Schule auch der Unterricht für Obersekunda erteilt; für das Jahr 1918 wird auch noch für Unterprima unterrichtet. Es handelt sich dabei natürlich um vorübergehende Einrichtungen.
Mit den kontraktlich verpflichteten Lehrkräften haben wir unsere Vereinbarungen um ein Jahr verlängert. Es ist uns eine Genugtuung, unserem Direktor, Herrn Dr. Gabert, für seine umsichtige Leitung und den Lehrern und Lehrerinnen für ihre erfolgreichen Leistungen unsere volle Anerkennung und unseren Dank auszusprechen.
An den Ausbau des Schulgebäudes in der seit Jahren geplanten Weise konnten wir unter den gegenwärtigen schwierigen Verhältnissen nicht denken, so sehr uns diese Frage auch am Herzen liegt.
Die Räumlichkeiten der Schule hat der Vorstand auch im vergangenen Jahre der evangelischen Gemeinde, der Singakademie und neuerdings auch dem Neuen Deutschen Turnverein gerne zur Verfügung gestellt.
Sammlungen für die Schule durch Listen oder ein Schulfest wurden im verflossenen Jahre nicht veranstaltet.
Zwecks Besprechung von Schulfragen allgemeinen Interesses und zur Beratung der Schulen in einzelnen Fällen haben sich gegen Ende des vorigen Jahres die deutschen Schulvereine von Buenos Aires und Umgebung zu einer losen Vereinigung zusammengeschlossen und aus je 2 Vorstandsmitgliedern und dem Direktor jeder Schule unter dem Vorsitze des Herrn Prof. Dr. Keiper und dem Beisitze des Vorsitzenden des Lehrervereins einen Schulausschuss gebildet. Wir hoffen gerne, dass die Tätigkeit dieses Schulausschusses für die deutschen Schulen hier eine recht segensreiche sein möge.
Da die Postverbindung mit drüben für uns so gut wie ganz abgeschnitten ist, haben wir Nachrichten über die im Felde befindlichen früheren Lehrer und Schüler der Belgrano-Schule im vergangenen Jahre nicht erhalten.
Die Kaiserliche Reichsregierung bewilligte uns wieder einen Zuschuss von Mk. 5.500.—. und als ausserordentliche Beihilfe von den Zinsen der Waldthausen-Stiftung Mk. 2.000.—., wofür wir ihr unseren herzlichsten Dank aussprechen.
Herr Konsul Curt Berger, Leipzig, erliess uns auch in diesem Jahre die Zinsen seiner Hypothek; unseren verbindlichsten Dank ihm für das dauernde Wohlwollen, das er unserer Schule bewahrt.
Herr Th. Classen bestritt die Anschaffung von 26 Dutzend Kleiderhaken für die Schulzimmer; Herr Gutscher bedachte unsere Schule in seinem Testament mit $ 100.—. und von befreundeter Seite wurden $ 300.—. für die Schulbibliothek geschenkt, wofür wir herzlichst danken.
Der Kaiserlichen Gesandtschaft und dem Kaiserlichen Generalkonsulat gestatten wir uns, für das unserer Anstalt stets bewiesene Wohlwollen und Interesse hier unseren Dank abzustatten, ebenso Herrn Prof. Dr. Keiper als Reichskommissar bei der Einjährigenprüfung und Herrn Dr. Brinckmann als ärztlichem Beirat unserer Schule für ihre Bemühungen.
Am 25. März, abends 9 Uhr, findet die 21. ordentliche Generalversammlung in der Schule, calle Cuba 1714, statt. Wir bitten die Mitglieder, ihr Interesse an unserer Sache durch zahlreiches Erscheinen zu bekunden.
Die Tagesordnung wird in den beiden Tagesblättern bekannt gegeben.
Belgrano, im März 1918.
DER VORSTAND DES DEUTSCHEN SCHULVEREINS BELGRANO
W. Stahringer, 1. Vorsitzender, W. Petersen, Kassenwart, A. Ellinger, Schriftführer, AL F. Bohm, J. Carl, Ci. Clemens, O. B. Mengen, Carlos Peters, L. Siegerist, E. Stengel, Beisitzer.