1916 | 20º Jahresbericht – Deutscher Schulverein Belgrano


Vereinsbericht

Ein ernstes, fleissiger Arbeit gewidmetes Schuljahr liegt hinter uns; ernst über alle Maszeit im Hinblick auf den welterschütternden Krieg, fleissig, gehaltvoll durch emsige Arbeit, begleitet von sichtbarem Erfolge. Lassen Sie uns diesen Erfolg in unserm Bericht an erste Stelle setzen, denn auf ihn ist die Schule mit Recht stolz. Die stattliche Anzahl von zehn Untersekundanern, die sich der Schlussprüfung (Einjährigen-Examen) unterzogen, hat dies Examen gut bestanden. Der Reichskommissar, Herr Professor Dr. Keiper, sprach am Schluss der Prüfung dem Lehrkörper unserer Realschule seine hohe Anerkennung über die erzielten Erfolge aus, den Schülern aber rief er als Losung für ihren weiteren Lebensweg das Wort “Plus ultra” zu, ein Wort, das freudig und verständnisvoll aufgegriffen wurde, wie einer von ihnen, Wilhelm Dangelewsky, es in einer Abschiedsrede bei der Schlussfeier im Namen seiner scheidenden Mitschüler aussprach.

“Plus ultra!» Die Belgrano-Schule darf sich rühmen, in den 20 Jahren ihres Bestehens im Sinne dieser Losung gestrebt zu haben. Als damals, gegen Ende des Jahres 1896, ein kleiner Kreis von Vätern unter der tatkräftigen Leitung des unvergesslichen Christian Hansen zusammentrat, um die Söhne in einem gemeinsamen Lehrkursus deutsch unterrichten und deutsch erziehen zu lassen, da durften jene Gründer unserer Schule kaum hoffen, dass sich das von ihnen begonnene Werk in so verhältnismässig kurzer Zeit zu so stattlicher Blüte entwickeln würde, wie wir es heute vor uns sehen. Sechs Jahre früher hatte Fräulein Marie Liebau mit 2 Kindern einen Mädchenschulkursus in Belgrano eröffnet, zu einer Zeit, als von einer deutschen Kolonie hier noch nicht die Rede sein konnte. Aber wie dann ihre höhere Mädchenschule der Kristallisationspunkt geworden ist, um den sich nach und nach immer mehr deutsche kinderreiche Familien ansiedelten, so später auch die Knabenschule. Und heute ist durch die Vereinigung der beiden Anstalten zur „Belgrano-Schule“ ein Erziehungsinstitut geschaffen, das wir dank der umsichtigen Leitung unseres verehrten Direktors, Herrn Dr. Gabert, und der mit ihm arbeitenden hervorragenden Lehrkräfte als eine Schule allerersten Ranges bezeichnen dürfen. Darum sei unserm Direktor und allen an unserer Schule wirkenden Lehrkräften, Lehrern wie Lehrerinnen, auch an dieser Stelle die hohe Anerkennung des Vorstandes ausgesprochen für ihre pflichtgetreue und erfolgreiche Arbeit.

Mit Recht kann und soll die deutsche Kolonie von Belgrano auf ihre Schule stolz sein! Das möchten wir allen Lesern unseres Berichtes zum Bewusstsein bringen und die gesamte Belgranenser deutsche Kolonie zugleich auf das dringlichste ermahnen, die Erhaltung und Förderung des Geschaffenen als ihre vornehmste Pflicht zu betrachten. Fast jeder Jahresbericht spricht sein Bedauern darüber aus, dass die Zahl der Mitglieder unseres Vereins verhältnismässig so ausserordentlich gering ist, und dass bei so vielen das Interesse für die Schule erlahmt, sobald die eigenen Kinder die Schuljahre hinter sich haben. Das darf nicht so bleiben ! Jeder Deutsche in Belgrano sollte es für seine Pflicht halten, wenigstens durch seinen Mitgliedsbeitrag zur Erhaltung und Förderung der Schule beizutragen, damit diese nicht lediglich auf die Schulgeldeinnahmen angewiesen bleibt. Gerade die Schule empfindet den Druck der schweren Zeit besonders stark. Von Jahr zu Jahr wächst die Zahl derer, die um Ermässigung oder Erlass des Schulgeldes einkommen. Um aber allen berechtigten Gesuchen dieser Art nach Möglichkeit entgegenkommen zu können, appelliert der Vorstand in Sonderheit auch an die Mitglieder der Belgranenser Kolonie, die im Augenblick keinen direkten Vorteil von der Schule haben, also an jene Väter, die etwa keine schulpflichtigen Kinder haben, ebenso wie auch an die Junggesellen, die doch als patriotisch gesinnte Deutsche an der Förderung einer guten deutschen Erziehungsanstalt als der Grundlage für die Erhaltung des Deutschtums Anteil nehmen. Auch die früheren Schüler sollten nicht vergessen, sich durch ihren Beitritt zum Verein ihrer Schule dankbar zu erweisen. Man ziehe in Erwägung, dass die Schulkasse im Jahre 1916 durch Erlass und Ermässigung von Schulgeldern einen Ausfall von 3 13.092 ni„. hatte, dass an rückständigen Geldern in den letzten 3 Jahren noch S 11.166.90 m„. ausstehen; nur durch allergrösste Sparsamkeit konnte eine grössere Unterbilanz vermieden werden.

Ausser manchem ändern fehlt unserer Schule noch immer eine würdige Halle, die gross genug ist, um darin die Schüler und Schülerinnen der ganzen Schule mit Eltern und Freunden unserer Anstalt zu festlichen Veranstaltungen zu versammeln, ein Mangel, der sich besonders bei unseren Schulschlussfeier unangenehm bemerkbar macht; diese mussten bisher stets für Knaben und Mädchen getrennt abgehalten werden, und selbst so konnte nur einem kleinen Zuhörerkreise der Angehörigen die Teilnahme ermöglicht werden.

Diesem Umstande ist es vor allem zuzuschreiben, dass auch das vergangene Schuljahr im ganzen arm an grösseren Festlichkeiten verlaufen ist. Ein schon angekündigtes Schulfest, mit dessen Vorbereitungen man bereits begonnen hatte, musste unterbleiben, da kein geeigneter Raum in Belgrano zur Verfügung stand. Über die veranstalteten Festlichkeiten wird an anderer Stelle berichtet werden.

Von den früheren Angehörigen unserer Schule, Lehrern und Schülern, die dem Ruf des Vaterlandes folgten, um für Deutschland zu kämpfen, haben wir bei der jetzigen Abgeschlossenheit nur wenig in Erfahrung bringen können.

Unser früherer Direktor, Herr Dr. Hermann Bock, von dessen schwerer Erkrankung wir bereits im vorigen Jahre berichteten, hat ausgelitten. Ein heftiges Nervenleiden, durch die Anstrengungen des Krieges erzeugt, raffte ihn, erst 41 Jahre alt, im Sanatorium, in dem er Heilung suchte, plötzlich dahin. Mit ihm verliert die Belgrano-Schule einen teueren Freund, der sich in seinem, wenn auch kurzem Wirken als Direktor grosse Verdienste erworben hat und namentlich durch die Schaffung des noch jetzt gebrauchten Lehrplanes dem Unterricht eine feste Grundlage gab.

Herr Dr. Hermann Bock, geboren in Saalfeld am 4. Mai 1875, besuchte bis 1894 das Gymnasium in Rudolstadt und bezog dann die Universitäten Jena, München und Leipzig, um Geschichte, Philosophie und Philologie zu studieren. Er war Schüler von Karl Lamprecht in Geschichte und von Friedrich Ratzel in Geographie. Im Jahre 1900 erwarb er sich den Doktorgrad. Später siedelte er nach Südamerika über und machte Studien über Geschichte, Gewohnheiten und Schulen in Chile, Bolivien und Ecuador. 1906 kehrte er nach Deutschland zurück und wirkte am Gymnasium in Plauen als Lehrer der Geschichte und Geographie bis 1909. In diesem Jahre kam er nach Buenos Aires, um eine Professur der Geschichte am „Instituto Nacional del Profesorado Secundario“ zu übernehmen.

Von Mitte des Jahres 1911 an wirkte Herr Dr. Hermann Bock als Direktor der Deutschen Höheren Knabenschule Belgrano. Seine Energie, seine zielbewusste und gerechte Leitung ermöglichten es seinerzeit, mancherlei Misstände zu beseitigen und ein verständnisvolles Zusammenarbeiten zwischen Direktion und Lehrerkollegium herzustellen. Familienverhältnisse zwangen Herrn Dr. Bock Anfang des Jahres 1913 nach Deutschland zurückzukehren.

Nun hat auch ihn der Krieg dahin gerafft, eine Kraft, eine Energie und ein Wissen, das der Allgemeinheit noch viel hätte bieten können!

Auch unser lieber früherer Schüler, Clemens Schreyer, einziger Sohn unseres alten Freundes und Mitgliedes, Herrn Carl Schreyer, ist gefallen. Seine Studien unterbrechend, stellte er sich freiwillig dem Vaterlande seiner Eltern zur Verfügung. Denn er fühlte deutsch, sein Wissen, seine Erziehung, sein ganzes Empfinden drängten ihn dazu, in der Ski-Abteilung ausgebildet kämpfte er dann an verschiedenen Fronten mit hervorragender Tapferkeit, die ihm das eiserne Kreuz einbrachte, bis ihn am 12. September 1916 die tödliche Kugel in den Engpässen der Karpathen traf.

Tiefbetrübt drängt es uns, den Angehörigen beider, des Lehrers und Schülers, in Deutschland der trauernden Witwe, und hier den armen Eltern, in ihrem Schmerz unser herzliches Beileid auszusprechen. Mögen sie in der Hoffnung Trost finden, dass die Opfer nicht vergeblich gefordert wurden, dass die Morgenröte eines neuen, grossen und freien Deutschlands ihren Schmerz mildern werde. Wir aber wollen beider in Ehren dankbar gedenken!

Unserm Lehrer Herrn Kraft, der s. Z. schwer verwundet und dadurch felddienstuntauglich wurde, geht es gut.

Von unserm früheren Schüler Paul Petersen, dessen schwere Verwundung wir in dem letzten Jahresbericht erwähnten, und der ebenfalls mit dem eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde, lauten zu unserer Freude die Nachrichten sehr befriedigend. Er ist als vollständig geheilt aus dem Militärverhältnis entlassen und zur Zeit in Berlin wieder in kaufmännischer Tätigkeit.

Der Reichsregierung sind wir auf’s neue für den uns trotz der Kriegswirren überwiesenen Jahresbeitrag von M. 5.500 zu besonderem Dank verpflichtet. Auch gestatten wir uns, an dieser Stelle der Kaiserlichen Gesandtschaft und dem Kaiserlichen Generalkonsulat für das uns stets bewiesene Wohlwollen unsern Dank zum Ausdruck zu bringen.

Auch Herrn Professor Dr. Keiper, dem bewährten Freunde unserer Schule, der uns stets bereitwilligst mit Rat und Tat zur Seite steht, sind wir zu grossem Dank verpflichtet. Ebenso sagen wir Herrn Dr. Brinckmann, der wiederum seinen ärztlichen Rat der Schule zuteil werden liess, unsern besten Dank für seine Bemühungen.

Herrn F. Wegener verdanken wir die freundliche Überweisung eines eisernen Schrankes.

Unser alter Freund und Gönner, Herr Curt Berger in Leipzig, erliess uns auch in diesem Jahre die Zinsen seiner Hypothek, deren Gegenwert er uns in Form von Schulmaterialien zur Verfügung stellte. Auch ihm sei hiermit herzlich gedankt.

Wie während der letzten Jahre, so stellte auch in diesem der Vorstand gerne seine Räume gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung, so der evangelischen Gemeinde, dem deutschen Frauenverein, der Singakademie. Herr Professor Leonhardt, der auf Bitten eines grösseren Kreises ehemaliger Schülerinnen unserer Schule eine Reihe von Vorträgen hielt, stellte der Schule dafür die Hälfte seines Honorars mit $ 369 als Geschenk zur Verfügung mit der Bestimmung, den Betrag zur Begründung einer Schülerinnenbibliothek zu verwenden. Wir sprechen Herrn Professor Leonhardt dafür im Namen der Schule unsern besten Dank aus.

Die am 27. März 1916 stattgehabte 19. ordentliche Generalversammlung, mit ausnahmsweise lebhafter Beteiligung der Mitglieder und unter Leitung des zweiten Vorsitzenden, Herrn Max Lützeler, genehmigte den vorgelegten Jahres- und Kassenbericht und wählte folgende Herren in den neuen Vorstand: M. F. Bohm, Th. Classen, A. Kiiker, O. B. Mengen, L. Siegerist und F. Wcgener.

In der sich daran anschliessenden Vorstandssitzung konstituierte sich der Vorstand wie folgt:

1.Vorsitzender Herr Th. Classen

2.Vorsitzender Herr M. Lützeier

Schriftführer Herr W. Stcihringer

Kassenwart Herr W. Petersen

und als Beisitzer die Herren M. F. Bohm, J. Carl, A. Küker, O. B. Mengen, C. H. Seifert, L. Siegerist und F. Wegener.

Da Herr Stahringer, der in dieser Sitzung nicht anwesend war, später die Übernahme des Schriftführeramtes ablehnte, wurde Herr Mengen ersucht, es zu übernehmen. In derselben Sitzung wurde beschlossen, die auf dem Schulgebäude ruhende Hypothek von S 41.000 Pesos Gold der belgischen Sociedad Territorial Sudamericana zu löschen und eine neue Hypothek in derselben Höhe anderweitig aufzunehmen.

Zu dieser vom Vorstand vorgeschlagenen Transaktion erteilte die hierzu einberufene ausserordentliche Generalversammlung am 12. Juni 1916 ihre Zustimmung.

In derselben Versammlung wurde Herr Edmund Möring als Syndikus des Schulvereins wiedergewählt.

Am 31. März, abends 9 Uhr, findet die 20. ordentliche Generalversammlung im Schulgebäude statt.

Der Vorstand wiederholt an dieser Stelle die Bitte an die Mitglieder, möglichst vollständig zu erscheinen, denn nur ein allgemeines harmonisches Zusammenarbeiten von Vorstand und Mitgliedern kann eine Garantie gedeihlicher Weiterentwicklung der Schule geben in dieser schweren Zeit.

Statutengemäss scheiden aus dem Vorstande in diesem Jahre aus die Herren J. Carl, M. Lützeler, W. Petersen, C. H. Seifert und VV. Stahringer, deren Wiederwahl statutengemäss zulässig ist.

Seinem Wunsche gemäss scheidet aus dem Vorstand Herr F. Wegener, dessen Mandat erst im nächsten Jahre abläuft.

Die Tagesordnung der Generalversammlung wird den Mitgliedern durch die beiden deutschen Tageszeitungen bekannt gemacht.

Belgrano, 2. März 1917.

DER VORSTAND DES DEUTSCHEN SCHULVEREINS BELGRANO:

Th. Glossen, 1. Vorsitzender; M. Lützeler, 2.Vorsitzender; W. Petersen, Kassenwart; O. ß. Mengen, Schriftführer; AI. F. Bohm, J. Carl, A. Küher, C. H. Seifert, L. Siegerist, W. Stahringer, F. Wegener, Beisitzer.