1914 | 18º Jahresbericht – Deutscher Schulverein Belgrano


Vereinsbericht

Der Vorstand beehrt sich hiermit, den Herren Mitgliedern den Bericht über das verflossene 18. Vereinsjahr zu unterbreiten:

Die 17. Ordentliche General-Versammlung wurde am 31. März 1914 abgehalten; Jahresbericht und Rechnungsablage fanden einstimmige Genehmigung. Ausserdem konnte der Versammlung noch die erfreuliche Mitteilung gemacht werden, dass die Kaiserliche Reichsregierung unserer Schule wieder die definitive Ermächtigung zugesprochen hat, die Berechtigungs-Scheine zum Einjährig-Freiwilligen Militärdienst auszustellen für diejenigen Schüler, welche das entsprechende Examen bestanden haben.

Diese Mitteilung wurde mit grösser Genugtuung aufgenommen. Die satzungsgemässe Neuwahl von Vorstands-Mitgliedern ergab folgende Wiederwahlen: die Herren A. Küher, O. B. Mengen, C. Moll, L. Siegerist, W. Stahringer. Neu gewählt wurden die Herren M. F. JBohm und F. Wegener.

Für das Vereinsjahr 1914 setzte sich der Vorstand wie folgt zusammen:

Beisitzer: die Herren M. F. Bohni, A. Küker, ü. B. Mengen, C. H. Seifert, L. Siegerist, F. W. Vogel, F. Wegener.

Herr Ed. Möring erklärte sich bereit, das Amt des Syndikus wiederum zu übernehmen.

Die nächste Generalversammlung hat die Wahl von 5 Vorstandsmitgliedern vorzunehmen, da die Amtszeit der Herren M. Lützeler, W. Petersen, C. H. Seifert, W. Stahringer und F. W. Vogel abläuft. Die Wiederwahl ist statutengemäss zulässig.

An Mitgliedern zählte unser Verein Ende 1914 nur 74, was bei einem Bestand von nahezu 400 Schülern wohl einzig dastehen dürfte. Diese Zahl ist in keinem Verhältnis, weder zu der Bedeutung der Schule als Erziehungs-Faktor im Leben der deutschen Kolonie, noch zu den tatsächlichen Leistungen unseres Vereins. Es wäre sehr zu wünschen, dass wenigstens die in Belgrano ansässigen Familienväter unserer Kolonie ihr Interesse an einem so wichtigen Unternehmen bekundeten, indem sie die mit geringen oder gar keinen Opfern zu erlangende Mitgliedschaft erwerben.

I.Vorsitzender, Herr C. Moll

II.id., Kassenwart, Schriftwart, M. Lützeler, W. Petersen, W. Stahringer

Unser Verein hat nie eine auf Popularität gestellte Werbetätigkeit betrieben, weil sich seine Daseins-Berechtigung aus der Entwicklung der Verhältnisse selbsttätig ergeben musste und ja auch ergeben hat. Auch war die Leitung des Vereins stets bestrebt, an finanzieller Beihülfe von der Kolonie nur das zu erlangen, was unbedingt notwendig war, um den weiter gehenden Zielen einer öffentlichen deutschen Schule gerecht zu werden, d. h. Kindern minder bemittelter Eltern den Schulbesuch durch ganzen oder teilweisen Erlass des Schulgeldes zu ermöglichen. Unsere Aufwendungen in dieser Richtung betrugen im vergangenen Jahre $ 8100.— bei 45 Kindern. Wir gestatten uns deshalb, an diejenigen Mitglieder unserer deutschen Kolonie, welche diese Bestrebungen unterstützen wollen, die Anregung zu richten, als Mitglieder unserem Verein beizutreten.

MÄDCHENSCHULE: Im August v. J. hat Frl. Marie Liebau, die Gründerin der Deutschen Höheren Töchterschule, das Zeitliche gesegnet. Ein Leben emsiger Arbeit und treuester Pflichterfüllung, aber auch voll der schönsten Erfolge, schloss da ab. Der Vorstand hat es ganz besonders bedauert, dass es Frl. Liebau nicht vergönnt war, noch einige Jahre der Ruhe zu gemessen und den Fortbestand und die Weiterentwickelung ihres Lebenswerkes zu verfolgen. Die deutsche Kolonie in Belgrano, welcher Frl. Liebau durch zwei Generationen hindurch so unschätzbare Dienste geleistet hat, wird ihrem Andenken die schönste Ehrung erweisen, indem sie ihrem Werke auch ferner Verständnis und Unterstützung angedeihen lässt.

Wie durch Rundschreiben s. Zt. bekannt gegeben, hat unser Verein, gemäss dem mit Frl. Liebau getroffenen Abkommen, die Mädchenschule am 1. September 1914 übernommen, mit ihr auch das in langjähriger Tätigkeit erprobte Lehrpersonal. Beide Schulen werden fortan unter dem gemeinsamen Namen BELGRANO-SCHULE und unter Leitung unseres Direktors, Herrn Dr. R. Gabert, geführt. Wenn auch in Zukunft die persönliche Note fehlen muss, welche Frl. Liebau der Schule zu geben wusste, so wird die neue Leitung doch die Traditionen zu erhalten wissen, welchen die Schule ihren berechtigten Ruf verdankt, und es wird ihre besondere Sorge sein, die Leistungen der Schule auf der Höhe einer modernen höheren Mädchenschule zu halten. Auch in dieser Richtung schreitet ja die Zeit voran.

Die besonderen Einrichtungen, welche der Vorstand für das neue Schuljahr beschlossen hatte, so z. B. das Engagement einer an der Leitung mitbeteiligten deutschen Oberlehrerin, mussten des europäischen Krieges wegen zurückgestellt werden. Indessen bedeutet schon die Eröffnung der Selekta-Kurse, welche mit dem ersten April beginnen, einen Schritt in dieser Richtung, der durch die Verbindung mit der Knabenschule möglich zu machen war.

BESUCHE. Eine besondere Ehre wurde unserer Schule am 30. März durch den Besuch Seiner K. Hoheit des Prinzen Heinrich von Preussen zu Teil, der, begleitet von dem deutschen Gesandten Freiherrn von dem Bussche Haddenhausen, morgens 8 Uhr in der Schule erschien. Vom Vorsitzenden an der Eingangstüre der Schule begrüsst, wurden S. K. Hoheit die Herren des Vorstandes, sowie die Damen und Herren des Lehrerkollegiums vorgestellt. Die Schulkinder waren im Hofe, nach Klassen eingeteilt, aufgestellt. S. K. Hoheit unterhielt sich mit verschiedenen Knaben, befragte sie nach ihren Eltern, ihrer Herkunft und Anderem und besichtigte dann die verschiedenen Schulräume, in welche inzwischen die Schüler zurückgekehrt waren. Hierauf bat Seine K. Hoheit, die Knaben noch einmal im Hofe antreten zu lassen. Nach einer kurzen Ansprache, in welcher S. K. Hoheit die segensreichen Einflüsse der Errichtung deutschen Schulwesens im Auslande hervorhob und die Kinder zum Festhalten am Deutschtum ermahnte, verabschiedete sieh S. K. Hoheit in der freundlichsten Weise vom Vorstande und Lehrerkollegium. Auf Wunsch des Prinzen wurde den Kindern für den Rest des Schultages freigegeben. Allen Beteiligten, die diesem für unsere Schule so denkwürdigen Ereignis beiwohnten, wird dasselbe eine erhebende patriotische Erinnerung bleiben und namentlich in den Herzen der Kinder die Liebe zum Deutschen Vaterlande auch im späteren Leben wachhalten.

SCHÜLERZAHL: ln unseren früheren Berichten pflegten wir zum Vergleich mit den Vorjahren die Durchschnitts-Besuchszahlen des Jahres heranzuziehen, ln Zukunft werden wir dagegen die Gesamtbesuchszahl, sowie die Besuchszahl am 1. November bekannt geben, erstere in Übereinstimmung mit den meisten übrigen deutschen Schulen Argentiniens, letztere als Grundlage für die Statistik, welche wir jährlich dem Auswärtigen Amt einreichen.

Wir hatten in der Knabenschule:

1907 113 1912 154

1908 118 1913 160

1909 125 1914 182

1910 128 1914 153

1911 135

Die Mädchenschule war am 1. November 1914 von 190 Schülerinnen besucht, sodass die Belgrano-Schule am 1. November 1914 in ihren beiden Abteilungen 343 Schüler und Schülerinnen unterrichtete.

Die Anmeldungen für das neue Schuljahr (1915) waren ausserordentlich zahlreich und beliefen sich in der Knabenschule auf 46, in der Mädchenschule auf 45, sodass wir das neue Schuljahr mit 37& Kindern eröffnen. Unsere Schule ist damit die grösste höhere deutsche Schule in Argentinien.

Da der Besuch von Kindern nicht-deutscher Abkunft an der Knabenschule nur gering war, an der Mädchenschule auch nicht bedeutend, so hatten wir nur geringen Abgang aus nationalen Ursachen zu verzeichnen.

Die Tabellen über die monatlichen Besuchszahlen der Knabenschule, sowie über die Staats-, Sprach- und Religions-Angehörigkeit der Schüler und Schülerinnen sind wie gewöhnlich im Schulbericht veröffentlicht. Ebenso ein Namenverzeichnis der Schüler und Schülererinnen, nach Klassen geordnet.

Der UNTERRICHT vollzog sich auch im verflossenen Jahre in bester Form und ohne jegliche Störung, sodass es dem Vorstand ein Bedürfnis ist, bei Gelegenheit dieses Berichtes dem Direktor Herrn Dr. R. Gabert und dem gesamten Lehrerkollegium seinen Dank und ungeteilte Anerkennung auszusprechen für die von ihnen erzielten Leistungen, die u. a. auch bei den diesjährigen Abgangsprüfungen der Untersekundaner in der äusserst sorgfältigen und gleichmässigen Vorbereitung zum Ausdruck kamen.

Zum Verständnis der für unser Vaterland so ernsten und schweren Zeiten wird natürlich auch im Unterricht das Notwendige beigetragen. Die Erinnerung an die Besichtigung des deutschen Geschwaders in Montevideo und an den Besuch, mit welchem S. K. H. Prinz Heinrich von Preussen unsere Schule beehrte, hat auch in den Herzen unserer Schüler einen Begriff geweckt von der Grösse und Kraft unseres Deutschen Reiches, wie auch von dem unerschütterlichen Einheitsgedanken, der uns alle beseelt, und so dürfen wir hoffen, dass auch in den Herzen unserer Schüler einige Körnchen von der reichen Saat aufgehen werden, die heute in die Herzen der gesamten deutschen Jugend gesät wird, und von der wir ganz gewiss die Früchte erwarten dürfen, die diesen grossen Zeiten entsprechen.

Das SCHULGEBÄUDE hat weitere Änderungen nicht erfahren, da die gegenwärtigen Verhältnisse uns nicht gestatteten, grössere Aufwendungen zu machen. Selbst der im Vorjahre als Grundlage für den Ausbau des Gebäudes angelegte Fonds von $ ‘% 10,000.— konnte für diesen Zweck nicht erhalten bleiben, sondern musste zur Bestreitung der laufenden Ausgaben herangezogen werden, da der Ausfall an Schulgeldern ein ausserordentlich grösser war. Immerhin wurde das Konferenzzimmer neu gestrichen und das bisherige Lehrmittelzimmer als Bibliotheks- und Lesezimmer eingerichtet.

Am GESCHENKEN wurden uns zu Teil: von Herrn P. Holl ein Schuldschein von $ «% 400.— nebst verfallenen Zinsen, ferner von den Herren Bastanier, de Boer, Felten, Mengen, Ottersbach und Stremmler die im Schulbericht verzeichneten Lehrmittel, Bücher und Ausschmückungsgegenstände.

Herr Konsul Curt Berger schenkte uns auch in diesem Jahre die Zinsen seiner Hypothek. Ebenso verzichtete Herr Notar Dr. Nicanor Repetto auf die Berechnung eines Honorars für Ausfertigung einiger Urkunden.

Den freundlichen Stiftern sei auch an dieser Stelle nochmals der herzlichste Dank zum Ausdruck gebracht.

Die Kaiserliche Reichsregierung bewilligte uns einen Zuschuss von M. 5,500. , für welchen wir herzlich danken. Dass auch in so schweren Zeiten das Deutschtum im Auslande die heimatliche Unterstützung nicht zu entbehren braucht, ist wieder ein erhebender Beweis für die Fürsorge, die unsere Regierung auf so vielen Gebieten eingerichtet hat.

(Diese M. 5500.— gingen nach Abschluss der Bücher ein, erscheinen deshalb in der Bilanz für 1915).

Am Schlüsse dieses Berichtes haben wir wiederum Veranlassung zum Ausdruck unseres Dankes gegenüber dem Kaiserlichen Gesandten, Freiherrn von dem Bussche-Haddenhausen, und seinem Nachfolger, Herrn Graf von Luxburg, sowie dem Herrn Kaiserlichen Generalkonsul Bobrik für das stets bereite Entgegenkommen in allen Fragen, die unsere Schule betreffen.

Die nächste Generalversammlung ist auf Montag, den 29. März a. c., festgesetzt. Die Tagesordnung ist durch Veröffentlichung in den beiden deutschen Tageszeitungen, sowie auch durch Rundschreiben an die Herren Mitglieder bekannt gegeben.

Belgrano, im März 1915.

DER VORSTAND DES DEUTSCHEN SCHULVEREINS BELGRANO:

C. Moll, 1. Vorsitzender; M. Lützeler, 2. Vorsitzender; W. Petersen, Kassenwart, W. Stahringer, Schriftführer; M. F. Dohm, A. Küker, O. B. Mengen, C. H. Seifert, L. Siegerist, F. W. Vogel, F. Wegener, Beisitzer,F. Möring, Syndikus.

Fräulein Marie Liebau

geb. 15 Dezember 1845, gest. 20. August 1914

Ganz besonders gedenken wir im diesjährigen Jahresbericht der verstorbenen Vorsteherin der Mädchenschule, Fräulein Liebau, welche in unermüdlicher Arbeitslust ihres Amtes gewaltet hat, bis ihre Körperkraft, durch Krankheit geschwächt, versagte und sie ans Krankenlager gefesselt wurde. Was Fräulein Liebau für ihre Schule gewesen ist, das zeigte sich beredter, als es Worte auszudrücken vermögen, in der einmütigen Trauer, welche ihr Tod bei Kindern, Lehrern und Eltern, ohne Unterschied hervorgerufen hat, und in dieser Trauer liegt wohl die grösste Anerkennung: die dem treuen Wirken und Schaffen der Verstorbenen, in ihrer Schulerziehung zur Erhaltung und Fortpflanzung deutschen Wesens, gezollt werden konnte.

Eine solche aufrichtige Trauer um die Dahingeschiedene ist nicht zu verwundern, wenn diese, wie Fräulein Liebau, so im Mittelpunkt der deutschen Schulerziehung junger Mädchen, gestanden hat. Konnte sie doch auf eine nahezu 25 jährige Tätigkeit als Lehrerin hier in Buenos Aires zurückblicken. Im Jahre 1890, am 1. Juli, hatte Fräulein Liebau in Belgrano einen kleinen Privatkursus für 2-3 Kinder auf Wunsch einer deutschen Familie eingerichtet, dem sich bald darauf einige Kinder mehr anschlossen, so dass schon im Jahre 1892 ein wirklicher Lehrkursus, mit 17 Schülerinnen und 2 weiteren Lehrerinnen, bestand. Die Schülerzahl vermehrte sich von Jahr zu Jahr, und 1895 wurden bei der Schulbehörde die zur Erwerbung der gesetzlichen Schulkonzession nötigen Schritte eingeleitet, welche zur Folge hatten, dass dieselbe am 28. Mai gewährt wurde. Mit dem stetigen Wachsen der Schülerzahl wurde der bisher zum Unterricht verwandte Raum, der auf dem Terrain eines Privatbesitzes erbaut war, zu klein, und aus diesem Gründe mietete Fräulein Liebau 1897 ein Haus in der Calle Amenabar, das zum Schulhause eingerichtet wurde, bis im Jahre 1907 die Schule in das zu diesem Zwecke eigens neu erbaute Schulgebäude der Belgrano-Schule übersiedelte, in welchem sie sich auch heute noch befindet. Die Schülerzahl wuchs immer mehr und stieg bis auf 200 Kinder und zeitweilig einige mehr.

Dieser grosse Erfolg, den die Verstorbene beim Erfüllen der sich selbst gestellten Aufgaben erreicht hat, beruht in erster Linie auf treuester Pflichterfüllung, nicht nur in ihrem Bemühen als Lehrerin, sondern auch ganz besonders in der nie versiegenden Wachsamkeit über das seelische und körperliche Wohl der ihr anvertrauten Schützlinge. Sie war eine mütterliche treue Freundin ihrer Schülerinnen und bewahrte für diese auch ihre Anhänglichkeit, wenn sie längst der Schule entwachsen waren. Die deutsche Schule Belgrano glaubt das Gedächtnis an Fräulein Liebau nicht besser ehren zu können, als dadurch, dass sie bemüht bleibt, das Werk im Sinne und im Geiste der Verstorbenen fortzusetzen und auszubauen.

Fraulein Liebau war am 15. Dezember 1845 in Elberfeld geboren und starb am 20. August 1914 im 69. Lebensjahre.

Ehre ihrem Angedenken !