1912 | 16º Jahresbericht – Deutscher Schulverein Belgrano
Vereinsbericht
Der Vorstand beehrt sich, Ihnen hiermit über das verflossene Vereinsjahr 1912 Bericht zu erstatten:
Am 21. März fand die statutengemässe 15. ordentliche Generalversammlung statt, welche sich guter Beteiligung erfreute und in welcher der Vorstand die Genugtuung hatte, von der sehr befriedigenden Entwicklung der Schule Kenntnis zu geben; konnte doch das neue Schuljahr mit einer Schülerzahl von 154 Knaben begonnen werden.
Auf Grund der, von jener Generalversammlung vorgenommenen Wahlen bildete sich der Vorstand für 1912 wie folgt:
Herr C. Moll 1. Vorsitzender
Herr M. Lützeler 2. Vorsitzender
Herr W. Traub Kassenwart
Herr W. Stahringer Schriftführer
Herr E. Moring Syndikus
Beisitzer: G. Herten, A. Küker, O. B. Mengen, W. Petersen C. H. Seifert, L. Siegerist.
Mit Ende dieses Vereinsjahres scheiden satzungsgemäss aus, sind aber wiederwählbar, die Herren M. Lützeler, E. Möring, W. Petersen, C. H. Seifert und W. Traub.
Der Vorstand hat sich im Jahre 1912 zu 17 Sitzungen versammelt.
Mitglieder
Die Zahl unserer Mitglieder hat sich nur unwesentlich geändert, sie betrug Ende 1912: 86, doch können wir auch in diesem Bericht wieder hervorheben, dass unsere Mitglieder der Entwicklung unserer Schule ein nie versagendes, lebhaftes Interesse entgegenbrachten und wir zweifeln nicht, dass dieses Interesse auch weiterhin gute Früchte zeitigen wird.
Die Schüler-Zahl erreichte im vorigen Jahr nicht nur die bislang höchste Ziffer, sondern stellt auch die grösste Zunahme dar, welche die Schule bisher zu verzeichnen hatte, wie aus nachfolgender Tabelle erhellt:
1907 113
1908 118
1909 125
1910 128
1911 135
1912 154
Die Ursache dieser ausserordentlichen Zunahme liegt wohl zu einem grossen Teil in dem starken Zuzug deutscher Familien nach Belgrano und anderen nahegelegenen Vororten, darf aber auch wohl als ein Zeichen des wachsenden Vertrauens angesehen werden, das unserer Schule immer mehr entgegengebracht wird. Ks ist uns eine Freude anfügen zu können, dass die Besuchszahl bei Abschluss dieses Berichtes, also für das Schuljahr 1913 eine weitere Zunahme erfahren hat.
Über die Staats-, Sprach- und Religions-Angehörigkeit der Schüler, sowie über die monatlichen Bewegungen der Besuchszahlen geben die im «Schul-Bericht» veröffentlichten Tabellen interessante Aufschlüsse.
Schulgeld – Ermässigungen
Der im Berichtsjahre gewährte Nachlass und Erlass von Schulgeldern beläuft sich auf ca. $ 6200 gegen $ m/n 4160 im Vorjahre und $ 3500 in 1910, beträgt jetzt ca. 17 % unserer Einnahmen an Schulgeldern.
Dass diese Ermässigungen eine so hohe Summe erreichen, trotz der strengen Prüfung jedes einzelnen Falles mit Bezug auf die Notwendigkeit im Hinblick auf die finanzielle Lage der Eltern und der Zweckmässigkeit im Sinne der Veranlagung und Leistungen der betreffenden Knaben, sagt am#deutlichsten, wie unsere Schule im Laufe de Jahre zu einer zwingenden Notwendigkeit für die deutschsprechende Kolonie geworden ist und die wohlwollende Unterstützung aller Freunde des Deutschtums vollauf verdient.
Schenkungen
sind dem Verein zugewandt worden von:
Frau A. Lutz: $ 45.—
Herr H. v. Freeden: ein Schuldschein in Höhe von $ 1000.—
Herr H. von Bernard: $ 100.—
Herr W. Petersen: ein verstellbarer Barren und anderes Turngeräte.
Herr Wilhelm Lutz: ein wertvolles Mikroskop.
Herr von Steiger: ein Wappenschild.
Herr Curt Berger erliess uns auch in diesem Jahre wieder die Zinsen seiner Hypothek.
Für all diese Beweise einer tatkräftigen Unterstützung bringt der Vorstand auch an dieser Stelle nochmals seinen verbindlichsten Dank zum Ausdruck.
Die Kaiserliche Reichsregierung bewilligte uns wiederum einen Zuschuss von M. 5000.— für den wir herzlichen Dank sagen.
Der Unterricht
nahm im verflossenen Jahre seinen geordneten Gang und die Erfolge dürfen als recht befriedigende bezeichnet1 werden.
Die im letzten Jahre eingeführten Schularbeitsstunden haben dagegen den Erwartungen nicht entsprochen und wird zu erwägen sein, durch welche Massnahmen der damit beabsichtigte Zweck erreicht werden kann.
Ganz besonders möchten wir den Eltern ans Herz legen, darauf zu achten, dass ihre Kinder nicht ohne wirklich zwingenden Grund die Schule versäumen. Schon in der Schulordnung ist erwähnt, dass regnerisches Wetter den Schulbesuch nicht beeinträchtigen soll, und bei geeigneter Ausrüstung können die Schüler wirklich ohne Gefahr zur Schule gehen, auch wenn es in den Morgenstunden etwas regnet. Der Unterricht wird deshalb selbst an Regentagen unbedingt abgehalten.
Unser bisheriger Direktor, Dr. Hermann Bock, ist mit Schluss des Schuljahres nach Deutschland zurückgekehrt.
Der Vorstand hat Herrn Dr. Bock nur ungern scheiden lassen; denn die Arbeit, welche er in den 1 1/2 Jahren als Leiter unserer Anstalt geleistet hat, ist der wärmsten Anerkennung würdig, und die von ihm eingeführten Reformen haben sich inzwischen in höchst befriedigender Weise bewährt. Wir werden seine hingebende Tätigkeit in gutem Andenken bewahren.
Als Nachfolger wurde Herr Dr. R. Gabert, bislang Rektor an der Deutschen Schule in Rosario, gewonnen. Herr Dr. Gabert hat an unserer Schule ein weites und gewiss auch dankbares Arbeitsfeld zu bestellen, und w’ollen wir gerne hoffen, dass seine Tätigkeit sich zu einer recht erfolgreichen gestalten möge.
Schulgebäude
Infolge der schon erwähnten starken Zunahme der Besuchszahl erwiesen sich die für Klassenzimmer verfügbaren Räume als kaum noch ausreichend, und um ein geeignetes Unterbringen der für das neue Schuljahr zu erwartenden, noch grösseren Schülerzahl nicht in Frage zu stellen, musste die Bereitstellung weiterer Räumlichkeiten für Ende Februar in die Wege geleitet werden. Unter der fachmännischen Leitung unseres bewährten Mitgliedes, des Architekten Herrn L. Siegerist, wurde deshalb schon Mitte Dezember damit begonnen, den Unterstock des Mittelbaues in der Calle Virreyes auszubauen, wodurch ein grosses Klassenzimmer für unsere Knabenschule und ein ebensolches für die Mädchenschule geschaffen wird. Ferner ist das im endgültigen Bauplan vorgesehene Treppenhaus mit den links und rechts darauf mündenden beiden Zimmern vorläufig zu einem grossen Saal vereinigt, der uns, bis zum einstigen Ausbau der Turnhalle als Versammlungs- und Festraum dienen kann. Die teilweise Ausschachtung des Kellers, schafft Raum zum bequemeren Unterbringen von Lehrmaterial etc.
Die Mittel zu diesem Bau werden durch Erhöhung der 1. Hypothek um $ 10,000.— beschafft, zu deren Aufnahme dem Vorstand durch die Ausserordentliche Generalversammlung vom 20. Januar 1913 die nötige Vollmacht erteilt worden ist. Herr Curt Berger, als Inhaber der zweiten Hypothek hat uns in dankenswertem Entgegenkommen seine Zustimmung zu dieser Operation erteilt.
Höhere Töchterschule von Frl. Liebau
Im Anschluss an schon seit einiger Zeit schwebende Besprechungen mit Frl. Marie Liebau haben die Herren C. Moll in Vertretung des Vorstandes und L. Darmstädter in Vertretung von Frl. Liebau die Bedingungen vereinbart, zu denen die Höhere Töchterschule Ende nächsten Jahres an unsern Verein übertragen würde.
Diese Vereinbarung wurde «ad referendum» der nächsten Generalversammlung getroffen, und wird somit die Beschlussfassung über diese Angelegenheit einen Teil der Tagesordnung ausmachen.
Krankenkasse
Auf Anregung des Deutschen Lehrer-Vereins haben wir das an unserer Schule ständig wirkende deutsche Lehrpersonal in den Deutschen Krankenverein aufnehmen lassen.
Am Schlüsse dieses Berichtes macht es sich der Vorstand zur Pflicht, allen denjenigen herzlichen Dank zu sagen, die ihn im Berichtsjahre in seinen Bemühungen um die gedeihliche Entwicklung unserer Schule unterstützt haben, ganz besonders auch dem Herrn Kaiserlichen Gesandten Freiherrn von dem Bussche – Haddenhausen und dem Herrn Kaiserlichen Generalkonsul Dr. Bobrik, welche unsern Verkehr mit den Reichsbehörden stets in verständnisvoller und entgegenkommender Weise vermittelten, und auch Herrn Dr. Keiper, der uns stets bereitwilligst seinen Rat in Angelegenheiten der Organisation unserer Schule zur Verfügung stellte.
Die nächste ordentliche Generalversammlung wird am 27. März stattfinden. Die Tagesordnung wird den Mitgliedern durch Rundschreiben und durch Veröffentlichungen in den beiden deutschen Zeitungen bekanntgegeben werden.
Der Vorstand des Deutschen Schulvereins Belgrano
C. Moll 1. Vorsitzender
M. Lützeler 2. Vorsitzender
W. Traub Kassenwart
W. Stahringer Schriftführer
E. Möring Sindikus
G. Herten, A. Küker. O. B. Wengen, W. Petersen, C.H. Seifert, L. Siegerist Beisitzer.
Schulbericht
In diesem Jahre wurde zum ersten Male der gesamte Unterricht nach dem neuen Lehrplan von 1911 erteilt: Der
Übergang verursachte naturgemäss einige Schwierigkeiten, die jedoch im Laufe der ersten Monate alle überwunden wurden, bis auf einen Fall, in dem es unmöglich war, dem Lehrplan gerecht zu werden. Die in UII und OIII für kaufmännisches Rechnen vorgesehenen Stunden konnten nicht gegeben werden, weil beide Mathematiker schon aufs äusserste beschäftigt waren.
Lehrkörper
Mit dem Beginn des Schuljahres 1912 traten die durch Vermittlung des Auswärtigen Amtes in Berlin engagierten Herren Oberlehrer Heinrich Scholl und Friedrich Laube ihr Amt an.
Herr Scholl, geb. zu Worms, bisher Lehramtsreferendar an der Oberrealschule zu Mainz, übernahm den Unterricht in Mathematik, Physik und Chemie und einen Teil der Geographie, während Herr Laube, geb. zu Freiburg i/B., bisher Lehramtspraktikant am Gymnasium zu Offenburg, Naturkunde, Geographie und etwas Mathematik unterrichtete.
An dritter Stelle trat in das Lehrerkollegium ein der Lehrer Leopold Franke, bisher an der Barracas-Schule tätig. Den Unterricht im Spanischen übernahm in den Vorschulklassen Frau A. V. de Otaegui, und für den mathematischen Unterricht der Untertertianer, die sich zum Examen de ingreso melden wollten, sowie der zwei Schüler, die das Examen de Segundo Año machen wollten, wurde Herr Diana gewonnen. Herr Wall gab wöchentlich zwei englische Conversations – Stunden.
Zum Ersatz des Unterzeichneten Direktors, der mit Schluss des Schuljahres 1912 sein Amt niederlegte, um nach Deutschland zurückzukehren, gewann der Schulvorstand den bisherigen langjährigen Leiter der deutschen Schule zu Rosario, dessen Kontrakt dort mit diesem Jahre ablief, Herrn Doktor R. Gabert.
Da Herr Wall am Ende des Schuljahres ausscheidet, wird sich der Lehrkörper im Jahre 1913 folgendermassen zusammensetzen :
Herr Dr. R. Gabert, Direktor; Herren Oberlehrer: J. Harnist, Dr. Hörner, H. Scholl, F. Laube; Herr P. Otaegui, Herr Otto Schöler, Herr Leopold Franke, Frau Kiebericht, Frau Otaegui, Herr v. Steiger, Herr Diana.
Der Gesundheitszustand
der Lehrer war im Berichtsjahre im allgemeinen gut. Um so mehr war über den der Schüler zu klagen, namentlich in den unteren Klassen; dabei kamen weniger ansteckende Krankheiten in Betracht als Erkältungen und vorübergehendes Unwohlsein.
Über Staatsangehörigkeit, Muttersprache und Religionsbekenntnis der Schüler geben folgende Zahlen Auskunft:
Reichsdeutsche 32
Deutsch – Argentiner 86
Argentiner 19
Deutsch – Brasilianer 2
Deutsch – Uruguayer 3
Deutsch – Nordamerikaner 1
Deutsch – Rumänen 1
Deutsch – Bosnier 1
Österreicher 1
Dänen 1
Holländer 2
Franzosen 1
Peruaner 1
Egypter 3
Insgesamt 154
Muttersprache: Religion:
Deutsch (Vater und Mutter Deutsch)115 Protestantisch 114
Spanisch (beide Eltern Spanisch)9
Zweisprachig Vater Deutsch, Mutter nicht 14
Zweisprachig Mutter Deutsch, Vater nicht 6
Mosaisch
Eltern weder Deutsch noch Spanisch 10
Freireligiös 6
Insgesamt 154
Mitteilungen an die Eltern
Bei Gelegenheit dieses Schulberichtes möchte ich auf einige Punkte noch ganz besondere Hinweisen, die für das Zusammenarbeiten von Elternhaus und Schule von grösster Bedeutung sind. Der Schwerpunkt jedes guten Schulunterrichts liegt natürlich in den Unterrichtsstunden selbst, und in kleinen oder massig grossen Klassen wie denen der Belgrano-Schule können die geistigen Kräfte aller Schüler in gleichmassiger Weise geübt werden. Normalbegabte lind gesunde Knaben werden daher, wenn sie dem Unterricht mit Aufmerksamkeit folgen, in ihm beinahe alles lernen, was nötig ist. Beinahe alles heisst freilich nicht alles. Mässige und richtig geleitete Hausarbeit ist daneben auch für den begabten Schüler nicht zu entbehren. Es gibt nun einmal eine Reihe von Dingen, die nur durch mechanische Arbeit, durch fleissige Übung und Wiederholung sich aneignen lassen, wozu ungestörtes Alleinsein des Schülers gehört. Und mit diesen Übungen kann und darf die Schule nicht beschwert werden. Namentlich auf die häuslichen schriftlichen Arbeiten kann das Erziehen nicht verzichten. Sie sollen den Knaben einerseits gewöhnen an Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Sauberkeit, diese unentbehrliche Grundlage für seine Leistungsfähigkeit im späteren praktischen Leben, sodann ihn geschickt machen in der selbständigen Anwendung des in der Klasse Erlernten.
Wie sollen wir’s mit den häuslichen Arbeiten halten ? das ist eine Frage, die von den Eltern immer wieder an die Lehrer gerichtet wird. Ich will versuchen, einige praktische Winke dafür zu geben. Was zunächst den Zeitpunkt angeht, an dem die Schüler am besten ihre Hausarbeiten machen, so soll es jedenfalls nicht unmittelbar nach der Heimkehr der Schüler geschehen. Denn der Unterricht mit seinen hohen Anforderungen an die Aufmerksamkeit pflegt die Schüler, namentlich die kleinen, sehr anzustrengen, so dass sie müde nach Hause kommen, und eine sofortige Neuanspannung sowohl ihre Gesundheit als die Güte der Arbeit wesentlich beeinträchtigen würde. Auch sofort nach den Mahlzeiten soll man die Kinder nicht arbeiten lassen. Der Verdauungsprozess setzt besonders in der heissen Zeit und bei blutarmen Kindern die geistige Leistungsfähigkeit auf mindestens 1 Stunde stark herab. Am besten eignen sich daher die mittleren Nachmittagsstunden für Anfertigung der Hausaufgaben, dann sind die Kinder leidlich ausgeruht von den Anstrengungen des Vormittags, und es wird ihnen rasch von der Hand gehen, so dass der Spätnachmittag ihnen für Spiel und Erholung freibleibt. Nach dem Abendessen sollte nie gearbeitet werden, denn das nutzt bei gesunden Kindern nicht, weil sie dann müde sind, und bei leicht erregbaren beeinträchtigt es den Schlaf. Viel Lektüre des Abends ist auch bei grösseren Knaben nicht zu empfehlen.
Während nun die Kinder ihre Hausarbeit machen, soll man sie soviel wie möglich isolieren und jede Zerstreuung von ihnen fernhalten, damit sie ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Sodann soll man darauf halten, dass sie nicht zwischendurch immer wieder andere Dinge treiben. Handelt es sich um Auswendiglernen, so haltet die Knaben an, das Gedicht, die Regel, die Vokabeln etc. so oft zu wiederholen und aufzusagen, bis sie es zu können glauben. Und dann überhört es nochmals in geeigneten Zwischenräumen. Bei schriftlichen Arbeiten achtet vor allem darauf, dass die Kinder alles, was sie machen, sauber und gewissenhaft anfertigen; und ist eine Aufgabe schlecht geschrieben oder unordentlich, so lasst sie noch einmal machen. Das mag unbequem sein, wird aber eurem Kinde den grössten Nutzen bringen. Denn konsequent durchgeführt, wird diese Methode euer Kind mit der Zeit zu selbständigerer Gewissenhaftigkeit erziehen, als natürlichem Ausfluss der Freude an der netten geschmackvollen Form. Und der Inhalt soll uns nicht kümmern? höre ich fragen. Möglichst wenig! Sonst wird leicht der Zweck der Übung, die Selbständigkeit, und Gewandtheit im Anwenden des Erlernten, verfehlt. Nicht dass es euch Eltern verwehrt sein sollte, das von euren Kindern Geschriebene und Gerechnete durchzusehen und nachzuprüfen, aber findet ihr Fehler, so korrigiert sie nicht einfach ohne Zutun des Kindes, sondern begnügt euch damit, sie dem Kinde zu zeigen und es dazu anzuhalten, dass es darüber selbst nachdenkt und das Richtige zu finden strebt. Gelingt ihm das nicht oder nicht überall, so überlasst das Weitere dem Lehrer, im Unterricht. Das sind die einfachsten und tausendfach erprobten Hausregeln. Damit soll nun freilich nicht gesagt sein, dass sie Universalmittel wären, die stets den Erfolg verbürgen. Allgemein gültige Gesetze lassen sich auf diesem Gebiete so wenig aufstellen wie auf jedem sonstigen Gebiete des geistigen Lebens. Aber soviel ist doch sicher: haltet ihrs auf diese Weise konsequent und mit Verständnis ein paar Jahre durch, so wird bei normalen und gutgearteten Kindern der Erfolg nicht ausbleiben. Oft wird sogar schon nach kürzerer Zeit das, was anfangs ein verhasster Zwang war, zur dauernden Gewohnheit geworden sein und damit zur gesunden Grundlage für die weitere geistige Entwicklung der Kinder. Freilich, nochmals sei es gesagt, ohne ruhige, zielbewusste Konsequenz geht es nicht ab, und darüber verzagen viele Eltern. Wer jedoch sein Kind lieb hat, der wird sich selbst in Zucht nehmen, wenns nötig ist, und zu seinem freudigen Erstaunen wird er die alte Wahrheit bestätigt finden, dass man erzogen wird, während man seine Kinder erzieht.
Und wenn nun keine von diesen Regeln Erfolg hat? Nun, dann wende man sich an den Arzt oder an den Leiter der Schule oder die Lehrer und bespreche sich mit ihnen. Ein Weg wird sich dann wohl immer finden lassen.
Am besten und normalsten entwickeln sich erfahrungsgemäss diejenigen Schüler, die die Schule, der man sie anvertraut, von der untersten Klasse auf und regelmässig besuchen. „Der schlimmste Feind eines gedeihlichen Fortschritts“ sagt ein erfahrener Schulmann „ist unregelmässiger Schulbesuch“. Der Lehrplan jeder Schule und der Unterrichtsgang jeder Klasse ist ein organisches Ganze, worin jeder Teil den anderen bedingt. „Alan darf sich daher nicht wundern, wenn selbst ein ganz normal begabter Schüler, der aber beim geringsten Unwohlsein oder gar um eines Vergnügens willen die Schule versäumt, der die längsten Ferien unter irgend einem Vorwande noch verlängern muss, der die Schule und ihre Pflichten überall erst in zweiter Linie zu ihrem Rechte kommen lässt, allmählich ganz hinter seinen Kameraden zurückbleibt“. Viele Eltern, die in diesem Sinne sündigen, meinen, in solchen Fällen könne alles durch privaten Unterricht wieder gut gemacht werden. Davor ist ganz entschieden zu warnen. Die Schüler, die öfter in diese Lage gebracht werden, gewöhnen sich nur zu leicht an diese Hilfe und werden von Jahr zu Jahr unselbständiger, gar nicht zu reden von der Überbürdung, die dadurch bewirkt wird und der physischen Schädigung, die infolgedessen sich gar leicht einstellt. Ein Knabe, der in geordneten Verhältnissen sich bewegt, von unten auf methodisch unterrichtet und nur dann versetzt worden ist, wenn er für die folgende Klasse wirklich reif war, braucht keine Nachhilfe, ist nie überbürdet und sieht seine Kräfte beständig wachsen. Wird durch besondere Umstände wirklich einmal Nachhilfe wünschenswert, z.B. wenn ein Schülerin einem Fache zurückbleibt, so mag ein zeitweiliger Privatunterricht zulässig sein. Doch sollten sich die Eltern zur Pflicht machen, in solchen Fällen stets erst mit dein Leiter der Anstalt darüber Rücksprache zu nehmen. Kann jedoch ein Knabe in mehreren oder gar den meisten Fächern mit seiner Klasse nicht Schritt halten, so können verständige Eltern ihm keine grössere Wohltat erweisen, als indem sie ihn die betreffende Klasse noch einmal durchmachen lassen. Erscheint daher dem Lehrerkollegium, das solche Fälle mit der grössten Gewissenhaftigkeit prüft, einmal eine solche Nichtversetzung notwendig, so sollten die Eltern nicht der Schule zürnen, nicht klagen und die Nichtversetzung der Kindern etwa gar als schwere Schande darstellen, sondern sie sollten sie als eine heilsame Kur ansehen, die für die ganze übrige Schulzeit nur segensreiche Folgen haben wird.
Die Leistungsfähigkeit der Schüler ist vor allem von ihrem körperlichen Wohlbefinden abhängig, und um dies zu sichern, ist ausser guter, leichtverdaulicher Kost eine gewisse Menge Schlaf nötig. In diesem Sinne wird vielfach gesündigt. Manche Eltern erlauben ihren Kindern, des Abends zu lange wach zu bleiben. Kinder brauchen aber viel Schlaf. Bis zum 9. Jahre kann man ruhig 10 Stunden, und .von da ab 9 Stunden als Mindestmass ansetzen. Infolgedessen gehören Kinder bis zum 9. Lebensjahre um 8 Uhr, grössere spätestens um 9 Uhr ins Bett. Bin gesundes Kind schläft ruhig und fest, steht am Morgen frisch und erquickt auf und begibt sich froh an sein Tagewerk. Wo das nicht der Fall ist, da liegen in der Regel nervöse oder andere Störungen vor, und man tut gut, einen Arzt zu Rate zu ziehen. Dann zeigt sich oft, dass das Kind entweder dauernd zu wenig Schlaf hatte oder dass es abends oft in Gesellschaft oder ins Theater etc. genommen wurde, dass man, die Gefahr des Alkohols missachtend, ihm regelmässig Bier oder Wein gab oder starken Kaffee oder Tee. Narcotica sind aber für Kinder Gift. Was ein Erwachsener eben noch verarbeiten kann, das schädigt den noch schwachen kindlichen Organismus auf alle Fälle.
Für die Ferien, dies sei hier endlich noch erwähnt, werden im allgemeinen keine häuslichen Aufgaben gestellt, damit die freie Zeit wirklich ganz der Erhaltung und Kräftigung gewidmet wird. Um so mehr ist aber darauf zu sehen, dass die Kinder nach den Ferien pünktlich zum Unterricht kommen, um an den dann stattfindenden Wiederholungen, die sie wieder aufs Laufende bringen sollen, teilzunehmen.
Dr. Hermann Bock.
Direktor.
Buenos Aires, Dezember 1912.