1915 | 19º Jahresbericht – Deutscher Schulverein Belgrano


Vereinsbericht

Ohne besonders in der Öffentlichkeit hervorzutreten, aber erfolgreich, und, wie wir hoffen, zur Zufriedenheit der Vereinsmitglieder und der Eltern unserer Schüler, hat die Belgrano-Schule ein weiteres Jahr ihrer Tätigkeit zurückgelegt. Dem Vorstand des Deutschen Schulvereins Belgrano liegt es ob, den Herren Mitgliedern des Vereins den Bericht über das verflossene 19. Vereinsjahr zu unterbreiten und die 19. ordentliche Generalversammlung um dessen Genehmigung und um Gutheissung des Rechnungsabschlusses für 1915 zu ersuchen.

Der Mitglieder des Vereins sind es seit dem letzten Bericht nicht viel mehr geworden. Es ist wohl ein Beweis des Vertrauens, das die Eltern unserer Schüler in Schul- und Vereinsleitung setzten, wenn bisher kein grösseres Bestreben bemerkbar war, durch Erwerbung der Mitgliedschaft persönlich miteinzugreifen in die Förderung unserer Ziele. Erst gegen Ende des Schuljahres 1915 oder besser zu Anfang 1916 konnte der Vorstand eine kleinere Anzahl neuer Vereinsmitglieder aufnehmen, sodass die Mitgliederzahl 90 war bei Drucklegung dieses Berichts. Wenn nun auch zu erwarten ist, dass die erfolgte Neuordnung der Schulgeldbeiträge, von der später berichtet werden wird, uns eine Reihe neuer Vereinsmitglieder zuführen wird, so richten wir doch wiederholt an die deutsche Kolonie von Buenos Aires und besonders an die Deutschen in Belgrano die Bitte, ihr bekanntes Interesse für unsere Schule durch Erwerbung der Mitgliedschaft auch äusserlich zu bekunden.

Dass die Belgranoschule das Interesse der allerweitesten Kreise der deutschen Kolonie verdient, geht zum mindesten aus ihrer Schülerzahl hervor, die im vergangenen Jahre rund 400 betrug. Die Zahlen und Tabellen, die unserem Schulbericht weiter unten eingefügt sind, bilden ein beredtes Zeugnis für die Bedeutung der Stellung, die unsere Schule einnimmt im deutschen Erziehungswesen im Ausland. Aber es erübrigt sich trotzdem nicht, unseren Herren Mitgliedern an Hand derselben Daten wiederholt vor Augen zu führen, was wir im besondern für das Deutsche Schulwesen in Buenos Aires ausmachen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir erst das erste Jahr der Verschmelzung zweier bis dahin getrennter Schulen hinter uns haben, zweier Anstalten mit hochgestreckten Unterrichtszielen, die in Bezug auf Leitung wie auf innere Organisation früher vollständig getrennt waren. Was die Schulleitung betrifft, so spricht der Vorstand schon an dieser Stelle dem Direktor, Herrn Dr. Gabert, seine uneingeschränkte Anerkennung aus für die organisatorische Leistung, für das Geschick in Führung und Verwaltung und für die Gesamtresultate. Das gesamte Lehrerkollegium der vereinigten Schulen, Damen wie Herren, verdienen nicht minder den Dank des Vorstandes, der hiermit ungeteilt zum Ausdruck komme. Lehrer wie Lehrerinnen haben ausnahmslos — trotz Arbeitsüberhäufung und anderer durch die Verhältnisse gegebener widriger Umstände — ihr Bestes gegeben und Leistungen erzielt, die der Belgranoschule, ebenso wie den Lehrkräften selbst, zur Ehre gereichen. Der Vorstand glaubt, stolz darauf sein zu dürfen, dass dank den hervorragenden Leistungen seitens des Direktors und des Lehrerkollegiums die vereinigten Schulen, die Realschule wie die^ Höhere Mädchenschule, voll und ganz auf der Höhe ihrer Aufgaben stehen.

Aber trotzdem erstreben und arbeiten wir stets an der Vervollkommnung unserer Einrichtungen. Leider musste jedoch auch in diesem Jahre die Verwirklichung manch’ schönen Projekts infolge der durch den europäischen Krieg verursachten besonderen Verhältnisse wieder vertagt werden. Der Frage der Verpflichtung einer geprüften deutschen Oberlehrerin zur Mitleitung der Mädchenschule konnten wir nicht näher treten. So konnten wir auch mit der Mehrzahl der Lehrkräfte nur provisorische Kontraktsverlängerungen eingehen und neue Engagements nur provisorisch abschliessen.

Die wirtschaftlich schlechte Lage im allgemeinen ist der Grund dafür, dass wir den lange gehegten Gedanken eines weiteren Ausbaus unserer Schulräumlichkeiten nicht verfolgen konnten, obgleich z. B. die Schaffung eines grossen Festraums sich immer dringender notwendig macht.

Aus demselben Grunde hat die Schule in diesem Jahre von Schülerreisen und grösseren Ausflügen Abstand genommen. Wohl hätten solche bei einzelnen Schülern begeisterte Aufnahme gefunden, der Vorstand hielt es jedoch nicht für richtig, sie zu verwirklichen, weil der erzieherische Wert unbedingt eine allgemeine Beteiligung voraussetzt.

In Anbetracht der schweren Opfer, welche die Kriegszeit allen Mitgliedern der deutschen Kolonie hier auferlegt, glaubte unser Verein auch in diesem Jahre, auf die Veranstaltung besonderer Sammlungen, sei es durch Listen, sei es durch ein Schulfest, verzichten zu müssen. Aussergewöhnliche Eingänge sind daher nicht zu verzeichnen.

Unsere regelmässigen Eingänge, auf die wir fast ausschliesslich angewiesen sind, die Schulgelder, werden im laufenden Jahre nach einem veränderten Satze erhoben. Durch die Vereinigung der beiden Schulen ergab sich die Notwendigkeit, für beide Anstalten eine einheitliche Basis zu schaffen, um auch den Eltern der Mädchen dieselben Vergünstigungen zu teil werden zu lassen, die an der Knabenschule eingeführt waren. Ein engerer Ausschuss des Vorstandes hat die Schulgelderfrage einem besonderen Studium unterzogen, auf dessen Ergebnis hin für die Zukunft die Sätze festgelegt wurden, die Seite 38 mitgeteilt werden. Wie leicht ersichtlich bedeuten die neuen Sätze keineswegs eine Erhöhung, die Gesamt-Schulgeldereinnahme ist im Gegenteil durch diese Neuerung geringer geworden.

Um so mehr hielt es der Vorstand für seine Pflicht, alle nicht durchaus notwendigen Ausgaben zu vermeiden und den Ausgleich des Schuletats mehr durch eine strenge Sparsamkeit als durch Bitten um Unterstützungen bei der Kolonie zu erzielen. Es ist dem Vorstand gelungen, ohne ein Defizit in das neue Rechnungsjahr einzutreten.

Trotzdem dürfen wir nicht verhehlen, dass uns die ganz ausserordentlich zunehmenden Bitten um Schulgeldstundung und Ermässigungen nicht nur, sondern auch die sehr grosse Anzahl von Freistellen, die von uns erbeten werden, mit lebhafter Besorgnis erfüllen. Im Jahre 1914 betrug der dadurch verursachte Ausfall $ 8100, im verflossenen Schuljahr sogar weit über S 11.000. Wir haben diese Vergünstigungen nur in den allerseltensten Fällen verweigert, auch dann nicht, wenn die betreffenden Schüler früher in anderen Anstalten gelernt hatten, aber wir bitten die Eltern dringend, prüfen zu wollen, wenn sie um Ermässigung einkommen, ob sie wirklich zur Erziehung ihrer Kinder nicht mehr beitragen können. Auch hoffen wir gerne, dass solche Rückstände, wenn die Zeiten sich wieder zum Bessern wenden, noch nachträglich bei der Schulkasse eingehen werden.

Mit einer gewissen Sorge sehen wir an und für sich der Zukunft entgegen. Von unserem Stamme erprobter Lehrer werden viele uns nach dem Kriege verlassen müssen; das gleichzeitige Ausscheiden so tüchtiger Lehrkräfte, bedeutet für die Schule einen ideellen Verlust, aber auch grosse pekuniäre Auslagen für Reiseausgaben etc. Wir wollen uns auch darüber nicht täuschen: die deutsche Kolonie wird in den nächsten Jahren nicht nur kleiner werden, sie wird auch kaum mehr imstande sein, die gleichen grossen Aufwendungen für ihre hiesigen öffentlichen Einrichtungen zu machen, wie in früheren Jahren. Denn auch für unsere Invaliden zu Hause, für die Witwen und Waisen der gefallenen Krieger werden wir eine Dankespflicht abzutragen haben. Daher geziemt es uns, Sparsamkeit zu üben in allen unseren gemeinnützigen Anstalten, und wenn auch anderen bereits erreichten Zielen, zu denen sie durch eine gesunde Entwicklung gelangt sind, ohne zwingende Gründe nichts geändert werden darf, so wird doch dringend geboten sein, bei Plänen für weitere Entwicklung nur das Gemeinwohl und das Erreichbare ins Auge zu fassen, selbst wenn dadurch schöne und lobenswert scheinende Projekte aufgeschoben werden müssen.

Es ist uns eine Freude, unserem Direktor und unseren Lehrern und Lehrerinnen Dank sagen zu können für den patriotischen Geist und das lebhafte Interesse an allen Vorgängen in unserem Vaterlande, das sie bei den Kindern zu erwecken verstanden haben. Unsere Schule hat ja an und für sich den Vorzug, dass nur ein ganz geringer Prozentsatz Kinder nicht germanischer Abstammung an ihr unterrichtet wird, aber es ist bemerkenswert, wie sehr das früher manchmal überhandnehmende Spanisch-sprechen der Kinder seit dem Kriege verschwunden ist. Der Stolz auf die deutsche Abstammung hat da eingesetzt: man hört auf dem Schulhof heute nur noch deutsche Laute.

Noch wollen wir zu ihrer und unserer Ehrung die Namen der Lehrer und Schüler erwähnen, die dem Lande ihrer Väter in schwerer Zeit ihre Dienste zur Verfügung gestellt haben, und von denen manche schon ihr Leben fürs Vaterland hingegeben, schwere Verwundungen erlitten haben oder in der Gefangenschaft dulden.

Unser früherer Direktor Dr. Bock diente als Leutnant bei der Etappentruppe in Frankreich. Wir hören zu unserem grossen Bedauern, dass er sehr schwer erkrankt ist.

Oberlehrer Schmidt der nach Verlassen unserer Schule den Rektor-posten an der deutschen Schule in Madrid einnahm, steht seit Beginn des Krieges im Felde und führt eine Kompanie. Er ist Inhaber des eisernen Kreuzes erster und zweiter Klasse.

Oberlehrer Dr. Hörner ist im militärischen Verwaltungsdienst tätig.

Unser Lehrer Kraft, dem es nach Ausbruch des Krieges nach Deutschland zu kommen gelang, wurde durch einen Schuss in den Oberschenkel schwer verwundet, befindet sich aber auf dem Wege der Besserung.

Unser früherer Lehrer Umland ist in England gefangen.

Von früheren Schülern unserer Anstalt sind Eberhard von Lücken und Hans Walter von Lücken auf dem Felde der Ehre fürs Vaterland gefallen. Wir sprechen ihren Verwandten unser herzliches Beileid aus.

Werner von Sanden undmLeopold von Sanden, der eine befindet sich gefangen in Turkestan, der andere ist zweimal schwer verwundet worden.

Gustav Hueck hat eine schwere Verwundung der Hand erlitten, von der er noch nicht wieder hergestellt ist.

Paul Petersen wurde ebenfalls schwer verwundet; mehrere Male operiert, befindet er sich jetzt ausser Gefahr.

Clemens Schreyer diente bei einer Ski-Abteilung in den Karpathen; es geht ihm nach den letzten Berichten gut.

Alfred Lindheimer hat sich freiwillig in Frankfurt gestellt.

Arthur Clarfeld ist gefangen in Russland.

Von den 6 Brüdern von Freeden, welche unsere Schule besuchten, Hermann von Freeden, Heinz von Freeden, Wilhelm von Freeden, Ernst von Freeden, Conrad von Freeden, Hans Joachim von Freeden dienen die älteren als active Offiziere zur See, die anderen als Offiziere der Reserve bezw. als Offiziersaspiranten der Landarmee in den Vogesen und in Galizien. Alle sechs haben sich das eiserne Kreuz erworben.

Wenn einem dieser früheren Lehrer und Schüler der Belgrano-Schule unser Bericht in die Hände fallen sollte, so mögen sie daraus ersehen, dass wir ihrer in aufrichtiger Freundschaft gedenken, und dass in diesen bewegten Zeiten von den jetzigen Schülern viel von ihnen gesprochen wird und stets Nachrichten über sie eingeholt werden. Wir rufen ihnen unseren herzlichen Gruss zu und sind stolz darauf, dass so viele Lehrer und Schüler unserer Anstalt bei der Verteidigung unseres Vaterlandes mithelfen dürfen.

Ausser den wichtigeren Fragen, die in Vorstehendem angedeutet, und neben den laufenden Verwaltungsarbeiten wurden selbstredend eine Anzahl anderer Angelegenheiten vom Vorstand erledigt.

Die 18. Ordentliche Generalversammlung trat am 29. März 1915 zusammen und billigte einstimmig Jahresbericht und Rechnungsablegung für das Vorjahr. Satzungsgemäss erfolgte in derselben Versammlung die Ersatzwahl von fünf Vorstandsmitgliedern, welche die Wiederwahl der Herren M. Lützeier, W. Petersen, C. H. Seifert und W. Stahringer, sowie die Neuwahl des Herrn J. Carl ergab.

Der Vorstand konstituierte sich für 1915 wie folgt:

1.Vorsitzender Herr C. Moll

2.Vorsitzender Herr M. Lützeler

Kassenwart Herr W. Petersen

Schriftwart Herr J. Carl

Beisitzer: die Herren M. F. Bohtti, A. Käker, O. B. Mengen, C. H. Seifert, L. Siegerist, W. Stahringer und F. Wegener.

Herr Ed. Möring übernahm in liebenswürdiger Weise wiederum das Amt des Syndikus.

Der Vorstand trat in 16 Sitzungen zusammen. Der 1. Vorsitzende Herr C. Moll beteiligte sich an der Gedächtnisfeier für Fräulein Liebau, die am 1. Juli gelegentlich der Einweihung ihres Grabdenkmals erfolgte, wozu er im Namen des Vorstandes die Familie Liebau einlud und eine kurze Ansprache hielt. An der Feier nahmen die Mädchen der oberen Klassen, frühere Schülerinnen und Freundinnen von Fräulein Liebau teil.

Dem Deutschen Wissenschaftlichen Verein wurden die Schulräumlichkeiten zu mehreren abendlichen Vortragskursen des Herrn Prof. Leonhardt überlassen, die grossen Zuspruch fanden.

Dem Kirchenvorstand der Deutschen Evangelischen Gemeinde wurde der grosse Saal der Schule zur Abhaltung von Gottesdienst an zwei Sonntag-Vormittagen im Monat zunächst bis zur jetzt stattfindenden Generalversammlung kostenlos zur Verfügung gestellt.

Anlässlich der in den Monaten August und September sich ereignenden Krankheitsfälle unter den Schülern hat Herr Dr. J. Brinckmann die Schulleitung mit ärztlicher Beratung unterstützt und sich in liebenswürdiger Weise bereit erklärt, der Anstalt seine Dienste als Schularzt zu widmen, wofür ihm der Vorstand auch an dieser Stelle seinen Dank ausspricht.

An grösseren Geschenken wurden der Schule von Herrn C. Moll der Barbetrag von $ 500 sowie von Herrn F. Wegener ein Schuldschein von gleichem Werte überwiesen.

Herr Konsul Curt Berger erliess uns in selbstloser Weise auch in diesem Jahre wieder die Zinsen seiner Hypothek.

Allen gütigen Spendern nochmals unseren und der Schule besten Dank. Besonderer Dank gebührt vor allem aber wieder der Hohen Reichsregierung, die auch im verflossenen Jahre trotz Krieg und schwerer Zeit, des Deutschtums im Ausland eingedenk, unserer Schule einen Reichszuschuss von 5500 Mark überwiesen hat. Den hiesigen Vertretern der Reichsbehörden, dem Kaiserlichen Gesandten Herrn Grafen Luxburg sowie dem Herrn Generalkonsul Bobrik haben wir unseren Dank abzustatten für das uns stets bewiesene Wohlwollen und Interesse an unserer Anstalt, wie auch Herrn Prof. Dr. Keiper für seine Mühewaltung gelegentlich des Schlussexamens.

Die 19. ordentliche Generalversammlung ist auf Montag, den 27. März 1916, abends 9 Uhr im Schulgebäude, calle Cuba 1714 anberaumt. Sie hat die Wahl von sechs Vorstandsmitgliedern vorzunehmen, da satzungsgemäß die Herren Bohm, Küker, Mengen, Moll, Siegerist und Wegener ausscheiden.

Herr C. Moll hat inzwischen sein Amt als 1. Vorsitzender niedergelegt und ist nach langer verdienstvoller Tätigkeit aus dem Vorstand ausgetreten. Der Vorstand will Herrn Moll, der während 5 Jahren in aufopfernder und erfolgreicher Weise das Amt des 1. Vorsitzenden bekleidet hat, an dieser Stelle seine ungeteilte Anerkennung für seine Tätigkeit und für das der Schule stets in hervorragendem Masse bewiesene Interesse seinen Dank aussprechen.

Die übrigen fünf genannten Herren sind nach den Statuten für eine weitere Amtsperiode wiederwählbar.

Die Tagesordnung der Generalversammlung wird durch Anzeigen in den deutschen Tageszeitungen und durch Einladungen an die Herren Mitglieder bekannt gegeben.

Belgrano, im März 1916

DER VORSTAND DES DEUTSCHEN SCHULVEREINS BELGRANO:

M. Lützeler, 2. Vorsitzender; J. Carl, Schriftwart; W Petersen, Kassenwart; M. F. Bohm, A. Küker, O. B. Mengen, C. H. Seifert, L. Siegerist, W. Stahringer, F. Wegener, Beisitzer. E. Möring, Syndikus.