1911 | 67º Jahresbericht – Germania-Schule
An die Mitglieder der Gemeinde!
Beiliegend übersenden wir den Mitgliedern den Bericht der Germania-Schule über das Jahr 1911.
Betreffs der Angaben über Mitgliederzahl und Rechnungswesen verweisen wir auf die Teilberichte.
Das Vertrauensmänner-Kollegium setzt sich aus folgenden Herren zusammen:
Mit Amtsdauer bis 1913:
R. Kauert, P. Küster, H. Liebau, H. Löhr, C. Moll,
Mit Amtsdauer bis 1915:
J. Fuchs, F. Gröbly, H. Hollmann sr., J. Hosmann, M. Opitz,
bis 1912
C. Aue, Ph. Bendinger, C. Boie, W. Dierks, T. Hug, H. von Bernard, M. Bohley, R. Bösenberg, 0. Cordes, Ph. Funek, F. Schäfer, A. Scholz, A. Schwägermann, O. Vilmar, H. Wirth, R. Petersen, J. Plate,, H. Tjarks, E. Weyrauch, C. Zitzke. gelangenden Kirchen- und Gemeindebericht wird über die Generalversammlung und über die Sitzungen des Kollegiums berichtet werden. BUENOS AIRES, im Dezember 1911.
Das Vertrauensmänner-Kollegium:
J. Plate, Vorsitzender,
0. Vilmar, stellvertretender Vorsitzender,
H. Wirth, Kassenführer,
F. Schäfer, Schriftführer.
Der Schulvorstand:
J. Plate, Vorsitzender.
Dr. W. Rüge, Direktor.
Schulgeschichte des Jahres 1911
Allgemeines
Die Ausgestaltung Deutschlands zur Weltmacht und die Erwerbung der Seegeltung ist eine der grossen Aufgaben, welche das 20. Jahrhundert uns Deutschen stellt. Das heranwachsende Geschlecht soll das begonnene Werk weiterführen helfen. Im Hinblick auf diese Aufgabe muss es erzogen werden. Die deutschen Auslandsschulen können bei der Lösung dieser Aufgabe wertvolle Dienste leisten, wenn sie sich bemühen, unter ihren begabten Schülern «geistig hochstehende Führer“, Männer der schlagfertigen Tat zu erziehen, die in den Verhältnissen des Landes, in dem sie aufgewachsen sind, sowie in den Aufgaben der Gegenwart zu Hause sind und neben der Liebe zu dem Lande, in welchem sie geboren wurden, die Anhänglichkeit an die deutsche Heimat ihrer Väter bewahren.
Es wird von jedem Unbefangenen als ein wichtiger Fortschritt begrüsst werden, dass die bedeutenderen unserer Auslandsschulen für ihre Schüler mit Erfolg deutsche Berechtigungen erstrebt haben. Für die meisten Fachleute und Laien hat die deutsche Auslandsschule dadurch erst ihre Leistungsfähigkeit nachgewiesen. Das darf sie aber nicht verleiten, ihre wertvolle Eigenart preiszugeben. Gerade ihre Doppelstellung, welche mit den daraus sich ergebenden und zum Teil sich widersprechenden Pflichten das schwierigste Kapitel der Auslandsschul-Pädagogik darstellt, ist das weltwirtschaftlich Wertvollste an ihr und muss mit Bewusstsein gepflegt werden. Wir haben darum für die Germania-Schule sowohl die deutschen als auch die argentinischen Berechtigungen erworben (vergl. Seite 15 dieses Berichtes).
Diese Doppelstellung ist das Gemeinsame aller Auslandsschulen, von der neunklassigen Vollanstalt bis zur einklassigen Elementarschule, welche letztere in ihrem Kreise ebenso wertvolle Dienste leisten kann; denn auch der aus der Elementarschule hervorgegangene Landwirt, Handwerker, oder was er immer sei, wird, sobald er unter seinen Berufsgenossen vermöge seines Könnens hervorragt, zum Führer und Wegweiser für die Arbeitskraft unseres Volkes.
Im Interesse der gemeinsamen Aufgaben ist es wünschenswert, dass alle deutschen Lehrer an Auslandsschulen sich zu Landesverbänden zusammentun. Wo die örtlichen Verhältnisse es gestatten, müssen die Elementarschulen zu höheren Lehranstalten ausgebaut werden. Das sollten die Schulvorstände als Ehrensache ansehen.
In jeder Auslandsschule sollten die in der Heimat erprobten Lehrmethoden und Lehrziele unter Berücksichtigung der durch die Landesverhältnisse bedingten Abänderungen massgebend sein. Dabei dürfte es sich aber empfehlen, gewisse Gesichtspunkte mehr in den Vordergrund zu stellen, als dies in der Heimat bis jetzt zu geschehen pflegt. Wir möchten im Nachstehenden auf zwei Forderungen hinweisen. Erstens muss die Auslandsschule einen durchaus modernen Charakter tragen, und zweitens muss sie auf die Forderungen des praktischen Lebens eingestellt sein. Nicht in längstvergangene Zeiten, in fernliegende Verhältnisse, sondern in das Verständnis der lebendigen Gegenwart ist der junge Auslandsdeutsche einzuführen, modernen Welt- und Lebensanschauungen darf er nicht fremd und ratlos gegenüberstehen. Sein Erzieher und Freund hat die Pflicht, ihm das alte Kulturgut nicht als toten Ballast zu übermitteln, sondern zu lebendigem Besitz.
Nach den vorstehend angeführten Grundsätzen haben wir nicht nur den Unterricht in der Schule zu gestalten versucht, sondern auch unsern Verkehr mit den Schülern ausserhalb des Unterrichtes. W ir sind mit unsern Zöglingen am Sonntag hinausgewandert ins sonnenhelle Land und haben mit ihnen vor dem Rancho am Wege praktische Volkskunde erlebt, wir sind mit ihnen auch alltags an die Stätten der Arbeit gegangen und haben mit ihnen im werktäglichen Hafen dem hohen Lied der Arbeit gelauscht. Und als dann die Frühlingsferien kamen, sind wir sogar übers Meer gezogen, um den Schülern das unvergleichliche Rio de Janeiro zu zeigen. Wer war da Lehrer und wer Schüler? Wurden wir nicht alle zu staunenden Schülern vor der grossen Lehrmeisterin, die in Gestalt der herrlichen Natur und des tätigen Lebens uns umgab? Schon das Leben an Bord des Ozeandampfers, der einen wohlorganisierten schwimmenden Staat darstellte, die Ankunft in der Tropenpracht Rios mit seinem Menschengewimmel in allen Farbenschattierungen, der herzliche Empfang seitens unserer Landsleute, waren Eindrücke, die durch keine Geographiestunde zu erzielen sind. Dann sind wir tagelang durch den Urwald gewandert unter Palmen und riesigen Farnen, die mit Lianen und seltsamen Blumen zu märchenhaften Bildern zusammenwuchsen. Wir haben auf lichter Bergeshöhe gestanden, wo zu unsern Füssen das blaue Meer mit weisser Brandung blitzendem Saume, wo Berge, Täler und tropische Wälder zu unsern Füssen sich dehnten in unbeschreiblicher Pracht. Da verstummten selbst die kecksten Knaben in schweigender Bewunderung. Wir sind am stillen Abend, wenn die ersten Sterne erstrahlten und die Leuchtkäfer der Tropennacht erglühten, mit unsern Schülern über Berg und Tal gezogen, während deutsche Lieder erklangen und auf der Sehnsucht Flügel unsere Gedanken in die deutsche Heimat schweiften. \¥er will den Wert ermessen, den solche Stunden für das innere Leben eines jungen Menschen haben können? Ausserdem hat unser Besuch in Rio de Janeiro auch einen praktischen Erfolg gezeitigt, denn wir Lehrer haben mit unsern Kollegen und den Schulvorstandsmitgliedern manche Erfahrungen ausgetauscht, uns über die gemeinsamen Aufgaben und Ziele ausgesprochen und dauernde Beziehungen zwischen beiden Schulen angebahnt. Für unsere deutsch-argentinischen Jungen war es eine eindrucksvolle Lehre, dass die Tatsache, ”wir sind Söhne deutscher Eltern“ genügte, um ihnen in Rio de Janeiro die Türen zu allen deutschen Häusern zu öffnen, wo jeder von unsern Knaben wie der heimgekehrte Sohn des Hauses aufgenommen wurde. Für diese herzliche Gastfreundschaft sei unsern lieben Landsleuten in der brasilianischen Hauptstadt auch an dieser Stelle herzlichst gedankt. Betreffs der Einzelheiten unserer Fahrt nach Rio sei auf den Anhang dieses Berichtes verwiesen, wo Herr Oberlehrer Wilfert eine ausführliche Darstellung derselben geben wird.
Leider hat das verflossene Schuljahr neben den oben erwähnten freundlichen auch viele schmerzliche Erinnerungen zurückgelassen. Die Schule wurde in tiefe Trauer versetzt durch das Hinscheiden von zwei verdienstvollen Kollegen, über deren Leben und Wirken die nachfolgenden Abschnitte dieses Berichtes nähere Angaben enthalten. Hier sei nur die Bemerkung gestattet, dass ihre treugeleistete Arbeit an der Schule unvergessen bleiben wird, und dass aus dem tiefbetrauerten Verlust, den ihr Tod für uns bedeutet, wie eine schöne Blume aus den Gräbern unserer Lieben, eine segensreiche Einrichtung erwachsen ist, nämlich die Ruhegehalts- und Hinterbliebenenkasse für die Lehrer der Germania-Schule. Man vergleiche dazu den Anhang dieses Berichtes.
Der Schulvorstand
Zu Anfang des Berichtsjahres gehörten folgende Herren dem: Schulvorstande an: C. Schüssler, Vorsitzender ; O. Vilmar, stellvertretender Vorsitzender; H. Wirth, Kassenführer; J. Plate, Schriftführer; Beisitzer: R. Bösenberg, W. Dierks, Ph. Funcke, R. Kauert, F. Schäfer, J. Trein und der Direktor der Schule; Dr. W. Rüge.
Der Vorstand dankt an erster Stelle den Reichsbehörden, dem Auswärtigen Amte zu Berlin, der Kaiserlichen Gesandtschaft und dem Kaiserlichen Generalkonsulate zu Buenos Aires-für das der Germania-Schule bewiesene Wohlwollen und Interesse.
Im Laufe des Jahres wurden der Schule folgende Schenkungen zuteil:
Januar: von Herren Lahusen & Cia. Zinsen $ 70.— Gold
März: von Herrn Ricardo Petersen Aus der von Waldthausen-Stiftung M. 400.—
Juni: von Herrn Generalkonsul von Sanden
Juli: von Herrn Gustavo Diedrichs den Herren Engelbert Hardt & Comp. 3 Obligationen nebst Zinsen $ 330.— Gold $ 400. – Gold $ 873.36
Der Schulvorstand spricht den freundlichen Gebern hierdurch seinen herzlichen Dank aus. Er dankt ferner der Deutschen La Plata-Zeitung für die wertvolle Unterstützung, die sie unserer Arbeit hat zuteil werden lassen. Desgleichen dankt er allen,, die durch Schenkungen und Zuwendungen die Sammlungen der Schule bereichert haben.
Anfangs Juli kehrte Herr Carl Schüssler, der langjährige Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Gemeinde und des Vorstandes der Germania-Schule, für immer in die deutsche Heimat zurück. Ihm zu Ehren fand in den Räumen des Deutschen Klubs eine ebenso schöne wie würdige Abschiedsfeier statt. Ausser dem Kaiserlich Deutschen Gesandten, Freiherrn von dem Bussche-Haddenhausen, nebst Frau Gemahlin und dem Kaiserlich Deutschen Generalkonsul, Herrn von Sanden, waren die Mitglieder des Vertrauensmännerkollegiums, die Herren Pastoren sowie die Mitglieder des Lehrerkollegiums mit ihren Damen vollzählig erschienen.
Nachdem Herr Vilmar als stellvertretender Vorsitzender die Anwesenden begrüsst hatte, ergriff Herr Moll, der stellvertretende Vorsitzende des Presbyteriums, das Wort. Er dankte Herrn Schüssler im Namen der Kirche und schilderte in beredten Worten die Vorzüge, die er als Mensch, als Kaufmann und als einflussreicher Führer der deutschen Kolonie gezeigt habe und wie er durch sein gewinnendes und doch bestimmtes Wesen die Geschicke der Kolonie selbst in stürmischen Zeiten segensreich zu leiten verstanden habe.
Im Namen des Schulvorstandes dankte Direktor Dr. Rüge dem Scheidenden für die grossen Verdienste, die er sich um das Aufblühen der Germania-Schule erworben habe. Während der zehnjährigen Präsidentschaft Herrn Schüsslers habe sich die einfache Bürgerschule, die kaum 180 Schüler zählte, zu einer militärberechtigten Realschule mit über 400 Schülern und 24 Lehrern entwickelt. Das prächtige Schulgebäude, die anerkannten Leistungen der Germania-Schule, die Wohlfahrtseinrichtungen für die Lehrer, das alles lege ein glänzendes Zeugnis ab für den Aufschwung, den die Schule unter seinem Vorsitz genommen habe.. In Anerkennung dieser Verdienste überreichte sodann Herr Vilmar dem Gefeierten eine von Herrn F. Benesch künstlerisch ausgeführte Pergament-Urkunde, welche von den 30 Vertrauens-männern der deutschen evangelischen Gemeinde unterzeichnet war. Sie stellte neben den allegorischen Figuren der Germania und der Argentina, die Germania-Schule und die deutsche Kirche zu Buenos Aires dar. Die Urkunde hat folgenden Wortlaut: Herrn Carl Schüssler, dem langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Gemeinde zu Buenos Aires überreicht in Anerkennung seiner grossen Verdienste, namentlich um das Aufblühen der Germania-Schule, das Vertrauensmännerkollegium der Deutschen Evangelischen Gemeinde diese Urkunde bei seiner Rückkehr nach Deutschland als ein Zeichen des Dankes zu bleibender Erinnerung.“
Im weiteren Verlaufe der Feier übergab Herr C. Sennewald im Namen des Lehrerkollegiums ein von dem Kunstmaler M. Gscheidel ausgeführtes Ölgemälde, welches die Germania-Schule darstellt (vergleiche dazu das Bild am Eingänge dieses Buches.) Er sagte in seiner Ansprache, das Kollegium widme dieses Bild als ein äusseres Zeichen des aufrichtigen Dankes, den das Lehrerkollegium für den Scheidenden empfinde, der ihnen nicht nur ein wohlwollender Vorgesetzter, sondern auch ein lieber und verständnisvoller Freund gewesen sei. Herr Schüssler dankte sichtlich ergriffen für die ihm erwiesenen Ehrungen und hob in erster Linie die Verdienste seiner Mitarbeiter hervor. Er schloss seine Rede mit den besten Wünschen für das weitere Gedeihen der Schule.
An den offiziellen Teil schloss sich ein zwangloses, gemütliches Beisammensein. Es wechselten Musikstücke, Kommerslieder und launige Vorträge unter der Leitung von Oberlehrer M. Wilfert auf das wirkungsvollste ab. In später Stunde trennte sich die Gesellschaft in dem Bewusstsein, dass die schöne Feier dazu beitragen w^erde, die Verdienste unseres verehrten Vorsitzenden in bleibender Erinnerung zu halten.
Aus Deutschland kommt uns die allgemein mit freudiger Genugtuung begrüsste Kunde, dass Se. Majestät der Kaiser geruht haben, Herrn Carl Schüssler wegen seiner Verdienste um das Deutschtum in Argentinien, insbesondere um die deutsche Schule, den Roten Adlerorden 4. Klasse zu verleihen.
Den Vorsitz im Schulvorstande übernahm zunächst der stellvertretende Präsident Herr O. Vilmar. Für Herrn Schüssler und für Herrn J. Trein, der nach Deutschland verreiste, traten die Herren C. Zitzke und F. Groebly in den Vorstand der Schule ein. Im August wurde Herr J. Plate einstimmig zum Vorsitzenden des Schulvorstandes gewählt, der sich zum Schlüsse, des Jahres aus folgenden Herren zusammensetzte: J. Plate, Vorsitzender; O. A^ilmar, stellvertetender Vorsitzender; H. Wirth, Kassenführer; F. Schäfer, Schriftführer; Beisitzer: R. Bösenberg. W. Dierks, Th. Funck, F. Groebly, R. Kauert, C. Zitzke und Direktor Dr. Rüge.
Das Lehrerkollegium
Der Lehrkörper der Schule setzte sich im Berichtsjahre aus 15 Herren und 9 Damen, wie folgt zusammen:
Direktor Dr. W. Rüge, Oberlehrer A. Jatho, Oberlehrer M. Wilfert, Oberlehrer Dr. E. L. Schmidt, L. Kegel, F. Lopez-Pereyra, R. Stengel, M. Külling, C. Sennewald, B. Uebe, J. Weigand, A. Suhr, E. Haumann, P. Echeverria, Kunstmaler Al. Gscheidel, Frl. M. Klingenberg, Frl. A. Behr, Frl. Dra. M. Rothkopf, Frl. H. Ebermann, Frl. R. Pizarro, Frau E. Sommer (geb. Schirner), Frau E. Beutelspacher, Frau E. Farwig und Frau H. Kraul.
Das Lehrerkollegium wurde im letzten Schuljahre von mehreren Verlusten betroffen. Zu Beginn des Schuljahres starb der argent. Lehrer Herr Octavio Echeverria. Obwohl er nur kurze Zeit an unserer Schule gewirkt hatte, schätzten wir ihn alle wegen seines unermüdlichen Pflichteifers, seines ernsten wissenschaftlichen Strebens und seines umfangreichen Wissens. Von seinem Eifer als Lehrer zeugt der Umstand, dass er auf seinem Sterbelager einen ergreifenden Brief an seinen Bruder Pedro*) diktierte, in welchem er ihn bat, seine Klasse in demselben Geiste mit allem Fleisse weiter zu führen, damit der Name Echeverria an der Germania-Schule in ehrendem Andenken bleiben möge. Wir werden des so früh Entschlafenen allezeit mit besonderer Hochachtung gedenken.
Wenige Wochen darauf, am 26. April, starb im 52. Lebensjahre nach längerem Leiden unser lieber Kollege Herr Johann Weigand. Die Schule, der er 26 Jahre ununterbrochen diente, verlor in ihm einen ihrer erfahrensten Lehrer, der seit Jahren die mühevolle Aufgabe übernommen hatte, die Kleinsten, deren Eltern er zum Teil schon unterrichtet hatte, in das Schulleben einzuführen, und für manche arme Waise, die aus dem Frauen-heim zu ihm kam, hat er väterlich mit sorgen helfen. Seine Kollegen schätzten in ihm einen lieben Mitarbeiter, dessen gastliches Heim allen offen stand, besonders aber den jüngeren Lehrern, die in dem freundlichen Gartenhause in Flores manche schöne Stunde verlebten. Anlässlich seines 25-jährigen Lehrerjubiläums wurden dem beliebten Lehrer von seinen Schülern, von seinen Kollegen und den Vorgesetzten zahlreiche Beweise der Liebe und Anerkennung zuteil. Sie alle werden sein Andenken treu in Ehren halten. An seine Stelle trat Herr Josef Albicker.**)
*) Herr Pedro Echeverria, geboren am 20. April 1881 in Santa Rosa,, Provinz Santa Fe, Argentinien, katholischer Konfession, besuchte das Lehrerseminar (Escuela Normal) in Esperanza, legte dort 1903 die Prüfung für Lehrer ab und war 7 Jahre an argentinischen Staatsschulen in Sta. Fe, Rosario und Buenos Aires tätig. Er übernahm mit Schulanfang dieses Jahres die Klasse seines Bruders Octavio.
**) Herr Josef Albicker, geboren am 20. Nov. 1887 in Buchen, Grosshzgt. Baden, katholischer Konfession, besuchte das Gross-herzogl. Badische Lehrerseminar Ettlingen, wo er 1906 die Prüfung für Lehrer bestand. Er war 4 Jahre im öffentlichen Schuldienst im Badischen tätig und wurde von der Grosshzgl. Ober
Der alles bezwingende Tod raffte einige Monate später noch einen unserer alten Freunde, den pensionierten Lehrer Herrn Friedrich Fritzsch, im Alter von 62 Jahren dahin. Am Sonntag,, den 27. August, wurde er in der Strassenbahn vom Herzschlage getroffen. Der Tote wurde unter einem Wald von Palmen und frischen Blumen in der deutschen Kirche aufgebahrt, wo er fast 40 Jahre lang jeden Sonntag als Organist den Gesang der Andächtigen auf der Orgel begleitet hatte. Jeder kannte und schätzte den weisshaarigen rüstigen, alten Lehrer, der 30 Jahre lang die Jugend an der früheren Gemeindeschule unterrichtete und seit 9 Jahren das wohlverdiente Ruhegehalt genoss, dabei aber immer noch unermüdlich tätig war, bis vor kurzem als Turn- und Schwimmlehrer, und bis zuletzt als Organist und als-Vorsitzender des Krankenvereins. Er war Mitbegründer des deutschen Lehrervereins und des Schachklubs, und bei seinen: deutschen Landsleuten, wie bei seinen zahlreichen argentinische» Freunden gleich beliebt und geachtet. Es war für das Lehrerkollegium und alle Freunde des verdienstvollen Lehrers eine grosse Freude, als bei seinem 25-jährigen Lehrerjubiläum Seine Majestät der Kaiser den ehrwürdigen Herrn durch die Verleihung des Kronenordens 4. Klasse auszeichnete. Ehre seinem Andenken !
Es geziemt uns auch der verstorbenen Frau S. Klöpping, die früher lange Jahre hindurch den Handarbeitsunterricht anderer Mädchenschule erteilte, zu gedenken. Am 9. April erlöste sie der Tod von einem langen, mit bewundernswürdiger Geduld ertragenen Leiden. Allen, die ihr nahe standen, war sie in ihrer Freundlichkeit und Herzensgüte ein lauteres Vorbild und ihre zahlreichen Schülerinnen eine treue Freundin und Beraterin. Sie werden ihr ein liebevolles Andenken bewahren.
«Es ist bestimmt in Gottes Rat.“ Unter dies Wort haben wir uns im letzten Jahre oft gebeugt, wenn die Trauerklänge Schüler und Lehrer in die Aula zur Totenfeier riefen, um einen lieben Entschlafenen die letzte Ehre zu erweisen und noch einmal sein Leben an unserem Auge vorüberziehen zu lassen. Möge ein gnädiges Geschick uns im kommenden Jahre Gesundheit verleihen und unsere Aula nur heiteren Festen dienen lassen.
Schulbehörde zwecks weiterer Ausbildung beurlaubt. Er studierte 2 Semester an der Handelshochschule in Mannheim und; wurde am 21. März 1911 an die Germania-Schule berufen.
Zum Schluss ist noch zu erwähnen, dass am 1. November Herr Kunstmaler Martin Gscheidel nach Deutschland zurückkehrte. Er hat etwa 3 Jahre lang den gesamten Zeichen- und Malunterricht an unserer Schule erteilt und erfreute sich bei seinen Kollegen, sowie bei seinen Schülern grösser Beliebtheit. Herr F. Benesch hatte die Freundlichkeit, ihn bis zum Ende des Schuljahres zu vertreten. Der Schulvorstand beabsichtigt, für das neue Schuljahr Herrn Hans Keller zu berufen. Er ist seminaristisch gebildeter Lehrer, studierte 3 Jahre auf der Kunsthochschule in Stuttgart und ist am selben Orte zurzeit als Zeichenlehrer an der Realschule tätig. Frl. Alice Behr trat am 15. Dezember eine Urlaubsreise nach Deutschland an, von der sie Anfang März zurückzukehren beabsichtigt.
Die Schüler
Im ganzen besuchten 420 Schüler die Germania-Schule. Das Namensverzeichnis derselben befindet sich auf Seite 19. Die Schüler verteilen sich auf die einzelnen Klassen wie folgt; (265 Knaben, 155 Mädchen). Davon waren 60 Freischüler, und 17 Kinder genossen Schulgeldermässigung.
Der Gesundheitszustand der Schüler war im allgemeinen recht befriedigend; nur die Pflegebefohlenen des Frauenheims wurden durch eine ansteckende Hautkrankheit sehr lange der Schule ferngehalten. Leider hatte die Anstalt auch unter ihren Schülern einen Todesfall zu beklagen. Der hochbegabte Sohn des Lehrers Weigand erlag in seinem 10. Lebensjahre einer Gehirnentzündung. Der Vater, dessen Gesundheit bereits erschüttert war, konnte den Verlust nicht überwinden und folgte seinem Sohne wenige Wochen später in das Grab. Wir teilen den Schmerz der schwergeprüften Gattin und Mutter und werden den Entschlafenen ein treues Andenken bewahren.
Der Schlussprüfung, deren Bestehen die Berechtigung’ zum einjährig-freiwilligen Dienst im deutschen Heere verleiht, unterzogen sich die Primaner Friedrich Fehrmann, Kurt Letzgus und Friedrich Lichner. Alle 3 Schüler bestanden die Prüfung.
Die Aufgaben für die schriftliche Prüfung finden sich auf Seite 33 dieses Berichtes.
Prüfungen für höhere argentinische Schulen wurden vom den folgenden Schülern abgelegt:
Für das Colegio Nacional
Curso de Primer Año: Felix Nattkemper und Robert Gröbly,
Curso de Ingreso: Kurt Uhlenburg; für die Escuela Superior de Comercio
Curso de Primer Ano: Enrique Katzenstein, E. Nienstedt und E. Sarközy.
Curso de Ingreso. Julio Caviezel; für die Escuela Industrial de la Naciön
Curso de Ingreso: Max Nattkemper, Carl Hickethier.
Lehrerseminar
Die sechs Schüler und Schülerinnen, welche sich auf den Lehrerberuf vorbereiten, befinden sich in den entsprechenden Oberklassen der Real-und der höheren Mädchenschule, um ihre allgemeine Bildung mit den übrigen Zöglingen gemeinsam zu empfangen. Nach 2 Jahren wird der Oberkursus beginnen, der die pädagogische und praktische Ausbildung geben soll und 3 weitere Jahre in Anspruch nehmen wird. Ausser den allgemeinen Schulfächern haben die betreffenden Schüler schon jetzt einen besonderen Musikunterricht, der sich auf Theorie und Klavierspiel erstreckt und von Herrn C. Sennewald geleitet wird.
Die Schülerbibiiothek wurde auch in diesem Jahre von den Knaben und Mädchen fleissig benutzt.
Über die Schülerwanderungen und die Ferienreise des letzten Jahres geben die Sonderberichte Aufschluss, ausserdem wurden eine Anzahl Lehr-Spaziergänge unternommen. Den Besitzern, die uns den Besuch ihrer Anstalten freundlichst gestatteten, sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt.
Schulfeste
Die Weihnachtsfeier wurde in der üblichen Weise unter dem strahlenden Tannenbaum mit Weihnachtsgesängen, einer Festrede des Direktors und Theaterspiel gefeiert. Frl. Behr hatte mit den Mädchen das reizende Lustspiel Madame Breitkopf einstudiert und Herr Lehrer Suhr mit den Knaben das Stück «Christkindlein im Schusterkeller“. Während das erstere ein interessantes Bild aus Goethes Jugendzeit darstellte und durch graziöses Spiel und die reizenden Kostüme sehr hübsch wirkte, erzielte das zweite durch seine gesunde Komik einen herzlichen Lacherfolg.
Das neue Schuljahr wurde durch einen Festakt mit Ansprache des Direktors eingeleitet. Am 24. Mai wurde das argentinische Nationalfest mit patriotischen Liedern, einer Festrede, des Lehrers Herrn Pedro Echeverria und einem Festspiel, das von Frl. Doctora Rothkopf für diese Feier verfasst worden war, in würdiger Weise begangen. Das sehr wirkungsvolle, frische Festspiel war überschrieben: ”Auf welche Weise feiern wir am besten den 25. Mai?“ Die Gedächtnisfeier zu Ehren Sarmientos wurde durch eine Ansprache des Lehrers Herrn F. Lopez-Pereyra und durch gemeinsam gesungene spanische Lieder zunächst in der Schule eingeleitet, sodann begaben sich Schüler und Lehrer nach dem Recoleta-Friedhof, um an dem Grabe des grossen Erziehers des argentinischen Volkes Blumen und Kränze niederzulegen, die mit Schleifen in den deutschen Farben und entsprechenden Widmungen versehen waren, was auf die Vertreter der argentinischen Behörden und die verschiedenen Abordnungen sichtlich einen angenehmen Eindruck machte.
Am 14. Oktober hielt Herr Oberlehrer Wilfert in der Aula der Schule einen Lichtbildervortrag an der Hand der von Herrn Lehrer Suhr während der Reise aufgenommenen Photographien über die Schülerfahrt der Germania-Schule nach Rio de Janeiro. Der Vortrag ergab für die Schüler-Reisekasse einen Reinertrag von $ 281.
Am Sonntag, den 15. Oktober, fand ein Schauturnen für Knaben und Mädchen statt unter Leitung der Damen Frl. Ebermann und Frau Sommer und des Turnlehrers Herrn Haumann. (Vergl. die Bilder bei Titelblatt).
Am 31. Oktober wurde im Unterricht der bedeutenden Männer Argentiniens gedacht und ihre Verdienste um das Vaterland den Schülern in Wort und Bild vor Augen geführt.
Im Oktober beehrte Se. Exzellenz Herr General Freiherr von Gayl in Begleitung des Herrn Generalkonsuls Bobrik die Schule mit einem Besuche.
Ein langgeheter Wunsch, dem schon Herr Säger in seiner Schrift ‘Aus meiner Auslandsschulzeit“ Ausdruck verliehen hat, ist durch das freundliche Entgegenkommen des Rudervereins «Teutonia“ seiner Verwirklichung ein gut Teil näher gerückt worden, nämlich die Schüler-Ruder-Abteilung. Ist doch das Rudern im Tigre, dem herrlichen Delta-Gebiet des Paranáflusses, beinahe die einzige gesunde Erholung, für unsere aus der Schule entlassenen jungen Leute. Die Germania-Schule hat sich daher die Aufgabe gestellt, neben dem Schüler-Wandern auch das Schüler-Rudern zu pflegen. Die «Teutonia“ hat es in anerkennenswerter Weise übernommen, durch ihren Ruderlehrer die Schüler sachgemäss in den schönen Wassersport einzuführen. Vergleiche das Bild bei Seite 17). Einen guten Nebenerfolg i: das Rudern schon jetzt gezeitigt, dass nämlich jeder Schüler, 5er in die Ruder-Abteilung eintreten will, zuvor schwimmen lernen muss.
Mitteilungen an die Eltern
Anmeldungen neuer Schüler werden vom 1. bis 10. Februar 1911 täglich von 8—11 Uhr im Direktorzimmer der Germania-Schule entgegenommen . Geburts- und Impfschein sind vorzulegen. Der Schluss der Anmeldungen und der Beginn des Unterrichts sind auf Montag, den 12. Februar, morgens 9 Uhr festgesetzt worden. Bei der Anmeldung ist das Schulgeld für einen Monat als Aufnahmegebühr zu entrichten.